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Serie „Conviction“ bei Vox : Nie wieder Skandale

  • -Aktualisiert am

Lächeln für das Pressefoto: Harvard-Absolventin Hayes Morrison (Hayley Atwell) und Staatsanwalt Conner Wallace (Eddie Cahill) haben einen Deal. Bild: Vox

Auch Frauenpower kann hier leider nicht so recht überzeugen: Die Serie „Conviction“ folgt ausgetretenen Pfaden und bedient Stereotype. Das hätte man auch anders angehen können.

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          Hayes Morrison (Hayley Atwell), Harvard-Absolventin und Tochter des ehemaligen amerikanischen Präsidenten, hat eine rebellische Ader. Anstatt sich in ihr privilegiertes Leben als „First Daughter“ einzufügen und ihrer Mutter Harper Morrison (Bess Armstrong), die für den Senat kandidiert, ordentliche Publicity zu bescheren, sorgt sie lieber für regelmäßige Skandale wie Oben-ohne-Fotos oder Sex-Eskapaden mit dem Servicepersonal. Als die junge Anwältin mit Kokain erwischt und verhaftet wird, macht ihr ehemaliger Gegner, der New Yorker Staatsanwalt Conner Wallace (Eddie Cahill), ihr ein Angebot: Wenn sie die Leitung der neuen Conviction Integrity Unit (CIU) übernimmt, lässt er ihren Drogenmissbrauch unter den Tisch fallen. Widerwillig lässt Hayes sich überreden.

          Ab sofort hat sie die Verantwortung für ein Team aus Anwälten, Ermittlern und Forensikern, das abgeschlossene Fälle, in denen Verurteilte weiterhin ihre Unschuld beteuern, auf Ermittlungslücken und Fehlurteile überprüft. Für jeden Fall hat die CIU genau fünf Tage Zeit, den oder die wahren Täter herauszufinden und gegebenenfalls eine Aufhebung des Schuldspruchs zu erwirken.

          Anstrengender Mutterkomplex

          Die Besetzung der neuen Vox-Serie „Conviction“ („Schuldspruch“), geschaffen von Liz Friedman („Dr. House“, „Elementary“) und Liz Friedlander („The Following“, „Stalker“), hat Potential. Darunter vor allem die für ihre Rolle als „Agent Carter“ oft gelobte Hayley Atwell und der alte Serienhase Eddie Cahill („CSI: NY“, „Under the Dome“). Allerdings wird aus den besten Zutaten nicht immer ein gutes Gericht, selbst wenn man sich im Grunde ans bewährte Rezept hält: ein ethnisch bunt durchmischtes Ermittlerteam mit ausgewogenem Geschlechterverhältnis, eine brillante Führungspersönlichkeit mit Charakterschwächen und einem ebenbürtigen Gegenspieler, spannende Fälle und Figuren, deren persönliche Geschichte Material für horizontale Erzählstränge bietet.

          In „Conviction“ muss alles sehr schnell gehen, denn für jeden Fall haben die Ermittler genau fünf Tage Zeit – nur: warum eigentlich?
          In „Conviction“ muss alles sehr schnell gehen, denn für jeden Fall haben die Ermittler genau fünf Tage Zeit – nur: warum eigentlich? : Bild: Vox

          Verwässert wird das Ganze durch inhaltliche Schwächen: Man fragt sich schon, was für eine Strafe es sein soll, eine ranghohe Ermittlungsgruppe zu leiten. Auch dass die CIU sich ihre Fälle selbst zusammensuchen muss und dann bloß fünf Tage Zeit hat für deren Aufklärung, wird nicht ganz schlüssig begründet und soll wenig subtil den Spannungsfaktor erhöhen. Wie der Ex-Knacki Frankie Cruz (Manny Montana) es erst in die forensische Abteilung und dann zur Spezialeinheit der Staatsanwaltschaft geschafft hat, bleibt ebenfalls sein Geheimnis. Das bügelt dann auch sein spezieller Draht zu den potentiellen Opfern von Justizirrtümern, der regelmäßig betont wird, nicht wieder aus.

          Was für eine Strafe kann es sein, eine ranghohe Gruppe voller motivierter Ermittler zu leiten?
          Was für eine Strafe kann es sein, eine ranghohe Gruppe voller motivierter Ermittler zu leiten? : Bild: Vox

          Regelrecht anstrengend wird es mit Hayes’ Mutterkomplex und ihrer Anwesenheit auf irgendwelchen Wahlkampfveranstaltungen, wo sie – bildtechnisch zackig aufgelöst und flüssig weggefilmt – in knallengen Abendkleidern ihr Dekolleté zur Schau stellen darf. Unvermeidlich: das Knistern zwischen ihr und dem smarten Staatsanwalt, der sich schon in den ersten Folgen als ihr Verflossener entpuppt. Weitere Spannungsspitzen werden durch Intrigen und das Aushorchen durch Kollegen erzeugt. Damit fällt es auch „Conviction“ schwer, aus dem Einheitsbrei gefälliger amerikanischer Krimiserien herauszuragen.

          Das ist schade, denn aus dieser Geschichte hätte etwas werden können. Schließlich sind tough-verschrobene Frauen in leitenden Positionen und Rollen in der amerikanischen Krimi- und Justiz-Serienwelt immer noch etwas unterrepräsentiert. Der geniale Narr bleibt zu oft dem Mann vorbehalten. Mit einer Hauptfigur, die es durch Freizügigkeit und ein ungezwungenes Liebesleben regelmäßig in die Schlagzeilen schafft – während das bei einem männlichen Protagonisten wohl kaum für Aufsehen gesorgt hätte – brechen die Macherinnen aber leider keine Lanze für starke Frauen. Wer gerne eine lauwarme Kombination aus „CSI“ und „Grey’s Anatomy“ sehen möchte, der wird mit „Conviction“ gut bedient sein.

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