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„Book of Love“: Zwei Schriftstellerherzen schlagen füreinander

So blond kommen wir nie mehr zusammen: Henry Copper (Sam Claflin) und Maria Rodriguez (Verónica Echegui). Szene aus dem Film „Book of Love“.

So blond kommen wir nie mehr zusammen: Henry Copper (Sam Claflin) und Maria Rodriguez (Verónica Echegui). Szene aus dem Film „Book of Love“.

Ein Liebesroman, in dem es nicht zur Sache geht, interessiert offenbar nicht einmal mehr die Briten. Als der Nachwuchsautor Henry Copper in der Buchhandlung etwas über „die praktische Liebe“ vorträgt, sein Tonfall so staubig wie seine Kleidung farblos, erhebt sich auch die letzte Besucherin der Lesung und geht. Die Buchhändlerin stellt den Roman „The Sensible Heart“ daraufhin in die „Nimm 3, zahl 1″-Ecke. „Machen Sie etwas Richtiges aus ihrem Leben, Henry“, lautet ihr Ratschlag. Und, ja, Henry ist entmutigt. Wer wäre das nicht, nachdem er seinen Wurf fünf Jahre lang wieder und wieder überarbeitet hat?

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Und er hat auch kein gutes Gefühl, als ihn seine Verlegerin einbestellt. Die Nachricht indes könnte besser nicht sein: Sein Ladenhüter ist ein Bestseller, führt die Hitliste mit weitem Abstand an – überm Großen Teich in Mexiko. So wird der schüchterne Poet schon anderntags auf eine Werbereise dorthin entsendet. Was er nicht weiß: Seine Übersetzerin, eine junge Frau mit schriftstellerischen Ambitionen, hat die nüchterne Dichtkunst des Engländers mit eigenen Zutaten in einen gepfefferten Erotikroman verwandelt.

Herr Copper ist ein überaus begriffsstutziger Mann

Die blasse, abstrakte Brit-Hülle des Buchs wurde für den lateinamerikanischen Markt ebenfalls modifiziert. Am Flughafen ist das riesige Poster eines halb nackten Mannes zu sehen, der vor einem Kaminfeuer einer üppigen Frau aus der Garderobe hilft. Henry kommt nicht einmal auf die Idee, es könne sich dabei um das Cover seines Buchs handeln (und das, obwohl man auch ohne Kenntnisse der spanischen Sprache weiß, dass „corazon“ Herz heißt und „sensible“, na ja, was wohl?). Der Film funktioniert schon mal nur, weil Herr Copper ein sehr begriffsstutziger Mann ist.

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Auftritt Maria Rodriguez (Verónica Echegui) – die Übersetzerin. Die nette Brünette lebt – klassische Komödienkonstellation zur Anbahnung einer neuen Beziehung – beim 80-jährigen Großvater, hat einen kleinen Sohn und einen unzuverlässigen Ex, der dann zu gegebener Zeit eifersüchtig werden muss. Die Rodriguez-Familie holt Henry gemeinsam ab (natürlich bis auf den Ex).

Henrys Empörung verwandelt sich in Liebe

Und ab diesem Moment ist es auch schon klar, wie „Book of Love“ von Regisseurin Analeina Cal y Mayor verläuft und ausgeht. Der steife Brite muss mit der temperamentvollen Lebensweise des Gastlands klarkommen, er muss dann verdauen, dass sein Werk bis zur Unkenntlichkeit versinnlicht wurde. Und seine Empörung über Maria wird sich im Verlauf der 106 Minuten dennoch in Liebe verwandeln. Die dann auch nicht mehr, auch das sei prophezeit, so „praktisch“ sein wird wie in der Originalversion seines Buchs, sondern eher so körperlich wie auf dem Mexi-Cover.

Wenn der komplett überforderte Sam Claflin („Die Tribute von Panem“-Filme) zu seinem ersten Lesungstermin in Mexiko durch Reihen schmachtender weiblicher Fans huscht und seinem Publikum – noch ahnungslos – als Quelle seiner Inspiration „Erfahrung und Erfindungsgabe“ nennt, worauf die Damen im Publikum sogleich hingebungsvoll seufzen und beipflichtend nicken, seufzt der Zuschauer auch, indes aus anderen Gründen. „Nichts passiert“, urteilt Maria, die sogar einen von Henrys Charakteren schwul gemacht hat, über Henrys Buch. Was im Prinzip auch für den Film zutrifft.

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Für die Liebe braucht es Chemie zwischen den Stars

„Arbeitet zusammen und helft mir zu verkaufen“, bittet der offenkundig schwule mexikanische Verleger den zu Recht empörten Autor und seine bockige Ghostwriterin. Und hier wiederholt sich ein Problem, das Claflin schon in „Ein ganzes halbes Jahr“ an der Seite von Emilia „Khaleesi“ Clarke hatte. Fehlt die Chemie zwischen denen, die eigentlich für eine innige Zweisamkeit angedacht sind, macht das Liebeskomödien nicht gerade zu Streaminghits. Claflin und sein spanischer Co-Star arbeiten amourös nicht so recht zusammen, sind allerdings noch die Juwelen unter all den eher talentfernen Akteuren hier.

Um nicht ungerecht zu werden: Ein paar Schmunzler sind durchaus enthalten. So muss der ambitionierte Brit-Literat, der in den sozialen Medien bald schon zum „Shakespeare of Sex“ ausgerufen wird, die begeistert vorgetragene Ankündigung seiner Verlegerin verkraften, dass die spanischsprachige Version seines Romans ins Englische zurückübersetzt werden soll. Ein etwas weniger schüchterner Schriftsteller hätte an diesem Punkt alles einem Anwalt übergeben. Mit Aussicht auf Erfolg.

Was der Demütigung in „Book of Love“ folgt ist dagegen ein märchenhaftes, logikarmes Endlosblabla mit wenig glaubwürdigem Gefühl und wenig Timing, die Sorte bewegtes, aber nicht wirklich bewegendes Bild, mit der man in seinem Leben schon viel zu viele Abende in ARD und ZDF verbracht hat. Alles wird gut. Bis auf den Film.

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Man hätte sich vielleicht von „Tatsächlich … Liebe“ (2003) inspirieren lassen sollen. Da verlieben sich der Schriftsteller Jamie (Colin Firth) und seine Haushälterin Aurelia (Lúcia Moniz) auf ganz natürlich wirkende und dennoch zauberische Weise ineinander. Auch Aurelia vernichtet das Buch ihres Autors – allerdings buchstäblich in einem See. Das Kino der Liebe indes geht hier nicht baden.

„Book of Love“, Film, 106 Minuten, Regie: Analeine Cal y Mayor, mit Sam Claflin, Verónica Echegui (streambar bei Sky)

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