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Geoengineering-Experiment US-Forscher will Sonnenverdunklung testen

Den Klimawandel mit feinen Partikeln in der Luft stoppen - kann das funktionieren? Im Interview erklärt Harvard-Forscher David Keith sein Ballon-Experiment - und warum die Erforschung von Geoengineering so wichtig ist.
Von Christopher Schrader
Sonne hinter Smog (Archivbild)

Sonne hinter Smog (Archivbild)

Foto: JASON LEE/ REUTERS

Soll die Menschheit gezielt ins Klima eingreifen, um die Erderwärmung zu bremsen? Darüber diskutierten Forscher aus vielen Ländern auf einer Konferenz in Berlin . Umweltgruppen und viele Wissenschaftler sind strikt dagegen, weil sie erhebliche Nebenwirkungen beim sogenannten Geoengineering fürchten. Denkbar wäre zum Beispiel, die Atmosphäre mit Schwefelpartikeln leicht zu verdunkeln, sodass die Sonne die Luft weniger stark aufheizt.

Völlig offen ist, wer mit welcher Legitimation die Entscheidungen für Geoengineering treffen soll. Manche Forscher aber möchten die Werkzeuge erkunden, die helfen könnten, wenn die Menschheit die ehrgeizigen Klimaschutzziele von Paris nicht erreicht.

Als prominentester Vertreter dieser Fraktion gilt der Physiker David Keith von der Harvard University. Er will mit Kollegen in einem Experiment untersuchen, was die Freisetzung von Aerosolen wie Schwefelsäure in der Atmosphäre bewirken könnte. Der technische Begriff dafür lautet Solar Radiation Management (SRM - die Regulierung der Sonnenstrahlung).

Die Forscher orientieren sich an den Gasen, die große Vulkane in die Atmosphäre spucken und die die Erde in der Vergangenheit teils empfindlich abgekühlt haben. Umweltschützer sehen mit einer solchen Freisetzung eine rote Linie überschritten, doch Keith gibt sich unbeirrt.

SPIEGEL ONLINE: Warum forschen Sie an Solar Radiation Management (SRM), obwohl Sie dafür heftig kritisiert wurden?

Keith: Ich glaube, der Einsatz der Technik könnte einige Risiken deutlich reduzieren. Der Klimawandel lässt den Meeresspiegel ansteigen, er schadet Ökosystemen wie der Arktis, er begünstigt extreme Wetterereignisse, die vielen Menschen schaden. Mehr Wissen über mögliche Werkzeuge zu haben, die solche Risiken reduzieren, ist darum eine gute Sache. Erste Ergebnisse zeigen, dass wir für 99 Prozent der Welt die Veränderungen durch den Klimawandel abschwächen könnten.

SPIEGEL ONLINE: Diese Zahlen beziehen sich allein auf Temperaturen. Wenn man auf die Niederschläge schaut, sieht das Bild anders aus.

Zur Person
Foto: © Mario Anzuoni / Reuters/ REUTERS

David Keith erforscht als Professor für Angewandte Physik an der Harvard University die Möglichkeiten von Geoengineering. Er hat die Firma Carbon Engineering gegründet, die Techniken zur CO2-Entnahme aus der Luft entwickelt. Seine Forschung aber gilt Verfahren, welche die einfallende Sonnenstrahlung abschwächen. Auf diese Trennung legt er viel Wert, um sich nicht dem Vorwurf eines Interessenkonflikts auszusetzen.

Keith: Dann mindert die Technik vermutlich die Folgen des Klimawandels für die Hälfte und verschärft sie für ungefähr zehn Prozent - und das Bild ist insgesamt undeutlicher.

SPIEGEL ONLINE: Sie rufen dazu auf, die Möglichkeiten und Folgen von SRM breiter zu erforschen. Gleichzeitig machen Sie sich deswegen Sorgen. Warum?

Keith: Also erst mal: Wir sollten die Forschung verbreitern und dabei so weit öffnen, dass sich auch die Menschen daran beteiligen können, die von den Folgen des Klimawandels am härtesten getroffen werden. Aber wir wissen: Die Ergebnisse werden missbraucht. Manche Leute werden übertreiben, wie effektiv die Technik sein kann, und dann argumentieren, dass wir nicht mehr so viel für die Reduzierung der Emissionen tun müssen. Richtig ist aber: Wir müssen die Emissionen bald auf null senken, ganz egal, ob wir SRM machen oder nicht. Geoengineering könnte nur das Risiko gefährlicher Folgen des Klimawandels reduzieren.

SPIEGEL ONLINE: Im Augenblick bereiten Sie selbst ein SRM-Experiment innerhalb der kommenden zwei Jahre vor.

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Geoengineering: Nur mal kurz die Welt retten?

Foto: DPA/ USAF

Keith: Genau, ein Experiment, keinen Test. "Test" erweckt den Eindruck, dass wir ein halbfertiges System haben, das wir erproben. Das stimmt aber nicht. Das ist eher ganz normale Atmosphärenforschung.

SPIEGEL ONLINE: Wie soll das ablaufen?

Keith: Wir lassen einen Ballon in die Stratosphäre steigen, ungefähr 20 Kilometer hoch. In seiner Gondel ist das Experiment. Die Gondel hat zwei Propeller, erstens, um die ausgestoßenen Substanzen in den Luftschichten zu vermischen, zweitens, um langsam zu manövrieren, so etwa im Fußgängertempo. Sie soll durch die Wirbelschleppe mit den Teilchen fliegen und alles vermessen. Wie die Aerosole miteinander und mit der Luft wechselwirken.

SPIEGEL ONLINE: Was wollen Sie da freisetzen?

Keith: Wasserdampf, ein paar Kilogramm, dann bekommen wir eine Wolke Eiskristalle, das wird interessant zu untersuchen sein. Und dann Schwefelsäure, auch als Dampf, und Kalzite als kleine Partikel. Von beiden etwa einhundert Gramm. Die Experimente gehen schnell, sie dauern vielleicht eine Stunde.

SPIEGEL ONLINE: Wie verteilen sich die Substanzen?

Keith: Vermutlich in einem Streifen von etwa hundert Metern Breite und einem Kilometer Länge. Aber später verteilen sie sich überall. Das passiert übrigens auch, wenn ich ausatme.

SPIEGEL ONLINE: Wären das für diese Region ungewöhnliche Substanzen?

Keith: Nein, natürlich gibt es da oben jede Menge Wasserdampf. Und jedes Verkehrsflugzeug emittiert pro Minute mehr Sulfate, als wir es tun wollen.

SPIEGEL ONLINE: Nehmen wir mal an, Sie haben Erfolg: Die Experimente zeigen, dass man so die Erde kühlen kann, Sie veröffentlichen wissenschaftliche Aufsätze darüber. Was soll dann eine Firma davon abhalten, eine ganze Flotte von Ballonen zu starten und das im großen Maßstab zu machen, um irgendwie Geld damit zu verdienen?

Keith: Ballone sind eigentlich nutzlos, und das gefällt mir an unserem Ansatz. Genauer gesagt, sie sind zu teuer und ineffektiv, um Aerosole zu verteilen.

SPIEGEL ONLINE: Dann eben Flugzeuge.

Keith: Schon besser. Ich hoffe, dass es dann internationale Regeln gibt, die es Firmen verbieten, mit einer solchen Idee Geld zu verdienen. Ich wäre sehr für ein strenges Verbot. Darum arbeiten wir zum Beispiel mit Janos Pasztor von der C2G2-Initiative (Carnegie Climate Geoengineering Governance-Initiative) zusammen, um solche Regeln zu entwickeln.

SPIEGEL ONLINE: Was ist schlimm daran, wenn Firmen Geld verdienen wollen?

Keith: Im Allgemeinen nichts. Firmen sind gut darin, die Preise von Produkten immer weiter zu senken. Aber sie übertreiben vermutlich den möglichen Nutzen und verstecken die eigenen Fehler. Darum werden, wenn wir das je machen, zwar auch Firmen beteiligt sein, aber es darf keine von ihnen den ganzen Prozess kontrollieren.

SPIEGEL ONLINE: Eine frühe Erkenntnis über SRM war diese: Sollte man ein solches Programm irgendwann in der Zukunft plötzlich stoppen, dann würden die Temperaturen sehr schnell auf den Wert ansteigen, den sie ohne den Eingriff gehabt hätten. Das heißt, wenn man einmal angefangen hat, kann man nicht mehr aufhören.

Keith: Ja, es gibt das Risiko einer plötzlichen Aufheizung. Aber man kann das Programm ja schleichend beenden. Wenn man so ein Programm für 150 Jahre macht, langsam anfängt und langsam aufhört, dann verteilt man die Erwärmung sozusagen.

SPIEGEL ONLINE: Aber wir wären abhängig.

Keith: Gerade weil SRM so relativ billig ist, bleibt das Risiko einer plötzlichen Beendigung gering. Auch wer anfangs nicht dafür war, der hat doch bald ein großes Interesse daran, dass das Programm fortgesetzt wird, wenn es einmal läuft. Allein schon, um das Risiko des Stoppens zu vermeiden, würden sogar ursprüngliche Gegner die Kapazität erwerben, mitzumachen.