Es ist erst wenige Wochen her, da erschien im New Yorker die Kurzgeschichte Cat Person und verbreitete sich rasant. Die fiktive Erzählung der Harvard-Dozentin Kristen Roupenian streift den vielleicht intimsten Bereich im derzeit recht angespannten Verhältnis zwischen Mann und Frau: die Grenzen von schlechtem Sex.

Cat Person handelt von einer 20-jährigen Frau, die sich als Kinomitarbeiterin auf einen Flirt mit einem Kunden einlässt, einem 14 Jahre älteren Mann. Sie trifft ihn zum Date und hat schlechten Sex mit ihm.

Die Kurzgeschichte wurde so breit rezipiert und besprochen, weil sie sich in die aktuelle Debatte um Alltagssexismus einfügt und die Entscheidungsfähigkeit von Frauen in sexuellen Grenzsituationen thematisiert: Warum geht eine Frau auf sexuelle Annäherungen ein, wenn sie sich kurz vor dem Sex nicht danach fühlt? Warum sagt sie nicht "Nein", wenn sie merkt, dass ein Kuss nicht schmeckt, der Geruch eines Mannes nicht stimmt oder die sexuelle Anziehungskraft einfach verpufft ist? Warum bricht eine Frau schlechten Sex nicht ab und lässt sich stattdessen von der Überzeugung treiben, ein Rückzieher könnte auf den Mann peinlich, verletzend oder komisch wirken?

Ins Gesellschaftliche gewendet, ergeben sich daraus folgende Fragen: Ist diese Art von weiblicher Unterwürfigkeit bereits ein Resultat patriarchalischer Gewalt? Ist eine zunächst zwar gewünschte, aber am Ende eben nicht gänzlich genossene sexuelle Erfahrung bereits eine Form von struktureller Unterdrückung? Ist ein Mann, der das Unwohlsein der Frau in einem erhitzten Lustmoment nicht spürt oder ignoriert oder bewusst oder unbewusst herausfordert, ein Nutznießer von Sexismus, ja sogar ein Täter im Geiste des Patriarchats, implizit ein Vergewaltiger also?

Im Graubereich des Legalen

Diese Fragen sind im Zusammenhang mit den Millionen von Äußerungen unter #MeToo besonders relevant und beziehen sich nun auf einen Fall in den USA, der nicht aus der Literatur und Fiktion, sondern aus dem wahren Leben stammt: Vergangene Woche hat eine Frau in einem anonymen Bericht für das Onlinemagazin Babe über eine Nacht mit dem amerikanischen Comedian Aziz Ansari geschrieben – den Protagonisten der preisgekrönten Netflix-Serie Master of None – und geschildert, dass er sie zu sexuellen Praktiken gedrängt habe. Der Text will keine Vergewaltigung anprangern, sondern Praktiken männlicher Gewalt im Graubereich des Legalen problematisieren.

Die Autorin, eine 22-jährige Fotografin aus Brooklyn, hat den Comedian Ansari im September 2017 auf einer Party kennengelernt. Sie buhlte um dessen Aufmerksamkeit, doch zunächst ignorierte er sie. Nach einer Weile tauschten sie Nummern aus und trafen sich zu einem Date in Ansaris Apartment. Nach einem gemeinsamen Essen habe Ansari dort die junge Frau zu sexuellen Handlungen aufgefordert – es ist vor allem von gegenseitigem Oralverkehr die Rede – und dabei ihre Verstörung und gestische Ablehnung nicht zur Kenntnis genommen. Auf dem Weg nach Hause habe die Frau geweint, sich benutzt und missbraucht gefühlt und Ansari erst anschließend mit ihren Vorwürfen konfrontiert.

Auffällig an der Schilderung ist, dass sie während des Abends offenbar kein einziges Mal "Nein" sagte und weder den Entschluss fasste, die Wohnung zu verlassen, noch Ansari mit einem entschiedenen Satz abzuweisen. Es scheint, ihr Verhalten changierte zwischen körperlicher Abwehr und stiller Teilhabe. Erst nach dem Date schrieb sie dem Comedian eine SMS, in der sie ihr Unwohlsein deutlich verbalisierte. Dort hieß es: "I just want to take this moment to make you aware of [your] behavior and how uneasy it made me." Ansari antwortete: "I'm so sad to hear this. All I can say is, it would never be my intention to make you or anyone feel the way you described. Clearly, I misread things in the moment and I’m truly sorry."