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Willkommen im Unterhaltungszeitalter

Mit einer groß angelegten Kampagne stellt Inter Mailand sein neues, minimalistisches Vereinslogo vor. Vorangetrieben hatten die Neugestaltung der „Marke Inter“ die chinesischen Eigentümer. Deren Zukunft im Klub ist jedoch unklar.

Foto: IMAGO

Die wohl beste Reaktion auf das am Dienstag vorgestellte neue Logo des FC Internazionale Milano kam vom französischen Zweitligisten FC Chambly. „Dann hätten wir unseres ja behalten können“, twitterte der französische Zweitligist, der 1989 von italienischen Auswanderern und Inter-Fans gegründet wurde. Erst 2016 war Chambly der Bitte des Mailänder Traditionsvereins nachgekommen, sein Logo zu ändern – wegen Verwechslungsgefahr. Die ineinander verschlungenen goldenen Buchstaben FC vor einem schwarz-blauen Hintergrund ähnelten zu sehr dem 1908 von Designer und Gründungsmitglied Giorgio Muggiani entworfenen Inter-Wappen.

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Seit Dienstag wäre diese Gefahr für Chambly wohl tatsächlich gebannt, denn Inter hat sein Logo deutlich umgestaltet. Nur noch die Buchstaben I und M sind geblieben, und auch die Farbe Gold ist gänzlich verschwunden. „Bei dem neuen Logo handelt es sich um eine moderne Neuinterpretation des historischen Vereinswappens, in einer leichteren und minimaleren Form“, lässt Inter auf seiner Homepage verlauten. Es bestehe zwar Kontinuität zur Ursprungsversion, doch das neue Logo sei „besser geeignet, um sich in das Unterhaltungszeitalter einzufügen.“ Als Beispiel wird gleich der aus den Buchstaben I und M formbare neue Slogan „I am“ genannt, mit dem der Klub ab sofort für sich wirbt.

Öffnung für die Welt des Lifestyle

Außerdem heißt es im schönsten Marketingsprech: „Inter erneuert seine Visual Identity, um sich einem immer digitaleren und Ästhetik-affineren Publikum zu öffnen, um globale Zielgruppen und unterschiedliche Altersgruppen zu erreichen, um sich nicht nur als sportliches, sondern auch als kulturelles Symbol zu etablieren. Ziel ist es, die Marke Inter nicht nur für die Fans wichtig und wiedererkennbar zu machen, sondern auch einem jüngeren und internationaleren Publikum die Möglichkeit zu geben, sich mit den Werten Inklusion, Stil und Innovation zu identifizieren, die Inter seit seiner Gründung auszeichnen.“ 

Marketing-Chef Luca Danovaro kündigt an: „Inters Fokus liegt auf dem Fußball, aber wir wollen uns den neuen Welten des Digitalen, der Unterhaltung und des Lifestyle öffnen.“ Mit der Gestaltung des neuen Logos hatten die Verantwortlichen ein renommiertes Grafikdesignstudio beauftragt: Das in München beheimatete Bureau Borsche, dessen Gründer Mirko Borsche bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat.

„Das hätte ja mein Schreiner für 30.000 Lire besser hingekriegt“

Zitat aus dem italienischen Film „Tre uomini e una gamba“

Während sich Ex-Spieler wie Marco Materazzi positiv äußerten und auch an der Kampagne beteiligten, hagelte es in den sozialen Netzwerken erwartungsgemäß Kritik. Der italienische Journalist und Inter-Fan Enrico Mentana schimpfte, man könne das alte Vereinswappen nicht einfach wegwerfen wie einen alten Schuh. Manche sahen im neuen Emblem gar eine Ähnlichkeit zum Volkswagen-Logo oder dem Wappen von Olympique Marseille. Vielfach wurden auch die Worte von Gründungsmitglied Muggiani vom 9. März 1908 zitiert: „Aus dieser glanzvollen Nacht werden die Farben für unser Wappen hervorgehen: Schwarz und himmelblau vor dem goldenen Hintergrund der Sterne.“ Vom Gold der Sterne ist nun nichts mehr übriggeblieben. Fast ebenso häufig fiel ein Satz aus der italienischen Kult-Komödie „Tre uomini e una gamba“. Darin sagt einer der Protagonisten über ein vermeintliches Kunstwerk: „Das hätte ja mein Schreiner für 30.000 Lire besser hingekriegt.“

Nun ist es nicht das erste Mal in der Vereinsgeschichte, dass Inter sein Vereinswappen ändert. Das 1908 vom Futuristen Muggiani entworfene Logo wurde schon mehrfach modifiziert, und beim Meistertitel 1989 trugen Lothar Matthäus und seine Teamkollegen gar ein Wappen mit einer Schlange auf der Brust, angelehnt an das Symbol der früheren Mailänder Herrscherfamilie Visconti. Doch mit der neuen, im Wesentlichen auf zwei Buchstaben beschränkten Wappengestaltung folgt der aktuelle Tabellenführer der Serie A einem Trend, den Rivale Juventus 2017 vormachte: Die hatten mit ihrem minimalistischen, ganz auf den Buchstaben „J“ ausgerichteten Logo gleichzeitig deutlich gemacht, dass man sich als weltweite Marke etablieren möchte.

Wie viel sich neben dem Wappen in Zukunft bei Inter ändern wird, ist indes unklar. Immerhin der Vereinsname „Football Club Internazionale Milano“ blieb entgegen zwischenzeitlich auftretender Spekulationen unangetastet. Vorangetrieben wurde der Prozess, „die Marke neu zu positionieren“, wie es Inter selbst nennt, durch die „Suning Holdings Group“, die seit 2016 eine Zwei-Drittel-Mehrheit am Klub hält. Der 29-jährige Inter-Präsident Steven Zhang, Sohn von Suning-Chef Zhang Jindong, beteiligte sich auch an der Marketingkampagne für das neue Logo. 

Doch zuletzt gab es immer wieder Gerüchte um Zahlungsschwierigkeiten und einen möglichen Verkauf der Klubanteile. Unter der neuen Führung wurde kräftig investiert, und sportlich könnten die Investitionen in diesem Jahr mit dem ersten Meistertitel seit 2010 Früchte tragen. Zuletzt gerieten die Besitzer allerdings selbst in finanzielle Schwierigkeiten. Spätestens, als die Firma Suning den ebenfalls in ihrem Besitz befindlichen chinesischen Meister Jiangsu FC Ende Februar kurzerhand vom Spielbetrieb abmeldete, läuteten auch in Mailand die Alarmglocken.

Ärger in der Stadionfrage

Am Tag der Vorstellung des neuen Logos versicherte das Unternehmen, man garantiere Inter weiterhin finanzielle Unterstützung. Die ausstehende Rate für den Transfer von Achraf Hakimi wurde an Real Madrid überwiesen, ebenso wie ausstehende Januar-Gehälter. Präsident Zhang, der sich seit Oktober in China aufhält, soll im Saisonendspurt wieder nach Mailand kommen und möchte offenbar Präsident bleiben. Laut „Corriere dello Sport“ hat Suning bei den Investmentbankern von Goldman Sachs ein Darlehen über 250 Millionen Euro aufgenommen, um kurzfristig die Zahlungsfähigkeit zu sichern. Ein Angebot der Investorengruppe „BC Partners“ über 750 Millionen Euro wurde von Suning laut „Gazzetta dello Sport“ abgelehnt. Doch ein Verkauf von Klubanteilen steht weiterhin im Raum, auch ein kompletter Eigentümerwechsel nach Saisonende oder im Laufe der kommenden Spielzeit ist nicht ausgeschlossen.

Die unklare Situation veranlasste den Mailänder Bürgermeister Giuseppe Sala, selbst Inter-Fan, die Gespräche über ein neues Stadion, das gemeinsam mit Stadtrivale Milan gebaut werden soll, vorerst auf Eis zu legen: „Bevor Inter seine Zukunft nicht geklärt hat, muss das Projekt notwendigerweise ruhen.“ Der Klub reagierte auf diese aus seiner Sicht „respektlosen Aussagen“ mit einem offiziellen Statement, in dem es heißt: „Der FC Internazionale Milano hat eine glorreiche, über hundert Jahre lange Geschichte. Er existierte vor Bürgermeister Sala und wird auch nach dem Ende seiner Amtszeit existieren.“ Über die von Sala aufgeworfene Frage, wer den Verein in Zukunft führen werde, verlor man jedoch kein Wort. Welche Investorengruppe in Zukunft hinter „IM“ steht und wie es in der Stadionfrage weitergeht, bleibt – im Gegensatz zum neuen Logo – weiterhin offen.