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Wie weit weg erscheint Ihnen Ihre große Skikarriere in den 1970ern? Ist das ein anderer Hansi?

Hansi Hinterseer: Nur ganz wenige Menschen dürfen so viele Karrieren erleben wie ich. Der Sport war natürlich ein Traum und eine Schule fürs Leben. Dann kam die Zeit als Skisport-Kommentator, dann ist das Singen dahergekommen, die Filme, die Fernsehsendungen. Viele wunderschöne Sachen. Das sind tolle Erinnerungen, die sportlichen Erfolge kann mir niemand mehr nehmen. Aber ich blicke selten zurück, schaue weitgehend nach vorne.

Ihre Gesangskarriere startete per Zufall: Musikproduzent Jack White feierte in Kitzbühel Geburtstag, und Sie trugen ihm spontan ein Ständchen vor. Kurz drauf hatten Sie einen Plattenvertrag.

Ob Schicksal oder Fügung: Mich reizte die Herausforderung. Zufälle und Bekanntschaften helfen einem weiter. Aber dann muss man selbst an sich und seinen Aufgaben arbeiten. Viele Leute geben sich ganz gescheit und wissen genau, wie es geht, haben aber im Leben noch nie etwas zuwege gebracht. Die Frage ist immer: Hat man Angst, etwas Neues auszuprobieren, oder wagt man den Schritt?

Sie sollen sich anfangs gesträubt haben gegen eine Musikkarriere.

Als das Angebot kam, sagte ich: „Das mache ich nicht, das will ich nicht!“ Meine Frau fragte nur: „Was hast du zu verlieren?“ Und sie hatte recht. Ich bin auf einem Bergbauernhof groß geworden, und da habe ich mich gerne als kleiner Bub dazugesetzt und mitgelacht und mitgesungen. Die Hürde war nicht allzu hoch.

Sie wuchsen in sehr einfachen Verhältnissen auf, ohne Strom und fließendes Wasser. Inwiefern hat Sie das geprägt?

Mein Großvater brachte das Wasser von der 300 Meter entfernten Quelle ins Haus. Ein Badezimmer gab es nicht, nur eine Hütte, in der einmal in der Woche gewaschen wurde. Man hat damals viel mehr mit der Familie zusammengelebt, man hat die kleinen Dinge viel mehr geschätzt. Man hatte mehr körperliche Arbeit, man hat die Jahreszeiten viel mehr gelebt. Man hatte Kameradschaft, war auf den Nachbarn angewiesen. Es war eine harte, aber wunderschöne Zeit.

Sie sind sehr heimatverbunden – hatten Sie jemals Fernweh?

Mein Fernweh durfte ich durch die Reisen für den Skisport stillen. Als ich auf Bora-Bora war, dachte ich tatsächlich für einen Moment: „Hier bleibe ich!“ Aber nach drei Wochen kam das Heimweh, die Sehnsucht nach den Bergen.

Hansi Hinterseer beim Weltcup im Slalom 1971/1972

Hansi Hinterseer beim Weltcup im Slalom 1971/1972

Sie wirken immer so grundpositiv und ausgeglichen. Wann rastet Hansi Hinterseer so richtig aus?

Eigentlich nur noch sehr selten. Wenn jemand gewisse Sachen nicht versteht, etwa bei einer Produktion, das gibt Reibereien. Wenn ich eine Idee habe und einer meiner Leute versteht sie einfach nicht, dann könnte es sein, dass ich ein wenig unruhig werde. Weil ich nicht verstehe, dass er es nicht versteht. Aber im Grunde, naa, das passt schon.

Ist das die berühmte Altersgelassenheit?

Ach, ich denke, das geht uns allen gleich. Wenn du jung bist, bist du spontan und impulsiv, später wirst du ruhiger. Das Älterwerden kannst du vergleichen mit dem Bergsteigen: Je näher du dem Gipfel kommst, desto mehr Übersicht hast du, desto weiter siehst du. Und je älter du wirst, desto mehr Weisheit hast du. Aber die Luft wird dünner.

Sie sind nach wie vor sehr sportlich. Machen Sie noch mehr für Ihre Gesundheit?

Keiner von uns weiß, was der Herr plant. Ich versuche, das Beste zu leben und mit den Menschen gut umzugehen, ich bin dankbar und glücklich und versuche, andere glücklich zu machen. Mit meiner Familie, meiner Frau passt es gut.

Sie sind seit 37 Jahren verheiratet. Was ist Ihr Geheimnis?

Es gibt keins. Es gibt immer Hochs und Tiefs in einer Beziehung, entscheidend ist doch: Wie geht man mit denen um? Wie bewahrt man sich die gegenseitige Wertschätzung? Das kann nur jeder selbst für sich beantworten.

Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?

Da werden wir schon wieder zusammenkommen, ja.

„Es gibt so viel Schlimmes, wie Gewalt und Not, aber darüber
sollte man nicht vergessen, das Gute und Schöne zu feiern.“ Zitat Hansi Hinterseer. Sehen Sie darin Ihre musikalische Mission?

Ich will niemanden missionieren. Musik ist für Jung und Alt, und jeder kann sich aussuchen, was er gerne hört. Ich würde nie über andere Musikkollegen richten. Jeder, der auf der Bühne steht, macht etwas richtig, ganz egal mit welcher Musik. Weil er die Menschen bewegt.

Wie motivieren Sie sich, wenn es Ihnen mal nicht gut geht und Sie auftreten müssen?

Bis jetzt ist Gott sei Dank nie was passiert. Natürlich gibt es schlechte Tage, aber die gehen auch wieder vorbei.

Was hilft Ihnen dabei?

Ruhe suchen, in die Berge gehen, schlafen.

Was hätten Sie im Rückblick gerne anders gemacht in Ihrem Leben?

Vielleicht hätte ich für die Olympischen Spiele 1976 besser trainieren können. Aber obwohl ich damals verlor, habe ich auch viel gewonnen. Vielleicht hätte ich es heute nicht so gut getroffen, wer weiß das schon?

Was würden Sie gerne an sich ändern?

Da gäbe es vieles (lacht).

Ein Beispiel bitte!

Manchmal lasse ich was lieber bleiben, als mich zu verbiegen und es auszudiskutieren – und habe meine Ruhe, wo ich eh nichts ändern kann. Manche sagen dann, der Hinterseer ist schwierig.

Haben Sie einen Traum, den Sie sich noch verwirklichen wollen?

Nein. Meinen Traum verwirkliche ich bereits jeden Tag.