Kleiner Hoffnungsschimmer mitten im Krieg: 100 Menschen aus Stahlwerk in Mariupol evakuiert

Eine Frau sitzt mit ihren Kindern in einem provisorischen russischen Zentrum für die Evakuierten aus dem Asow-Stahlwerk im Dorf Bezimenne in der Region Donezk. Sie sind umgeben von russischen Soldaten

Eine Frau sitzt mit ihren Kindern in einem provisorischen russischen Zentrum für die Evakuierten aus dem Asow-Stahlwerk im Dorf Bezimenne in der Region Donezk. Sie sind umgeben von russischen Soldaten

Foto: ALEXANDER ERMOCHENKO/REUTERS
Von: Jeanne Plaumann

Es ist ein kleiner Hoffnungsschimmer mitten im Krieg.

Am Sonntag konnten erneut Menschen aus dem von russischen Truppen umzingelten Asow-Stahlwerk im ukrainischen Mariupol evakuiert werden.

Nachdem bereits am Samstag nach langen Verhandlungen endlich 20 Frauen und Kinder aus dem Stahlwerk herausgebracht werden konnten, sollen in den nächsten Tagen weitere Menschen gerettet werden.

► Aber: Zunächst werden die Evakuierten in ein provisorisches, russisch kontrolliertes Zentrum im Dorf Bezimenne gebracht, bevor sie dann planmäßig ins ukrainische Saporischschja weiterfahren sollen.

Karte/Map: Evakuierung von Menschen aus dem Asow-Stahlwerk – Infografik

Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj (44) teilte die hoffnungsvolle Nachricht der Evakuierung am Sonntag auf Twitter: „Die Evakuierung von Zivilisten aus Asowstal hat begonnen. Die erste Gruppe von etwa 100 Personen ist bereits auf dem Weg in das kontrollierte Gebiet.“

Am Montag sollen die Menschen in der ukrainischen Stadt Saporischschja ankommen. Selenskyj schreibt zudem, dass das ukrainische Verhandlungsteam mit den Vereinten Nationen (UN) an der Evakuierung weiterer Menschen aus dem Stahlwerk arbeite.

Zivilisten, die aus dem Asow-Stahlwerk evakuiert wurden, sitzen neben einem Bus, der sie ins provisorische russische Zentrum im Dorf Bezimenne gebracht hat. Neben ihnen: ein russischer Soldat

Zivilisten, die aus dem Asow-Stahlwerk evakuiert wurden, sitzen neben einem Bus, der sie ins provisorische russische Zentrum im Dorf Bezimenne gebracht hat. Neben ihnen: ein russischer Soldat

Foto: ALEXANDER ERMOCHENKO/REUTERS

Situation im Stahlwerk ist katastrophal

Fakt ist: Die Situation im Stahlwerk ist seit Wochen schlecht. Es gibt kaum Nahrung, kaum Wasser, und die Medikamente für die vielen Verletzten gehen aus.

► Über die Nachrichten-App Telegram erreichte BILD am Sonntag den Ukrainer Oleg (Name von der Redaktion geändert), der als Kämpfer seit Wochen im Asow-Stahlwerk ausharrt.

Er beschreibt die schlimmen Zustände im Werk, in dem noch mehr als 1000 Zivilisten und ukrainische Kämpfer ausharren: „Der Trinkwasservorrat ist zu 90 Prozent erschöpft. (…) Wir essen einmal am Tag, hauptsächlich verschiedene Breie und Konserven, von denen nur noch wenige übrig sind. (…) Es ist sehr feucht in den Bunkern, die Hälfte der Menschen hustet die ganze Zeit. Aber wir sind abgehärtete Menschen, niemand beklagt sich. Wir hoffen, dass ein Drittstaat uns rausholt, sonst bleiben wir für immer hier.“

Kreml-Diktator Wladimir Putin (69) hatte das Stahlwerk vergangene Woche von russischen Truppen so engmaschig umstellen lassen, „dass nicht einmal eine Fliege rauskommt“. Er will die Menschen dort aushungern.

Der letzte Widerstand im Stahlwerk Mariupol

► Auf den höchsten Etagen der Wohngebäude neben dem Werk haben sich ukrainische Scharfschützen positioniert. So können sie einzelne Bodentruppen der Russen gezielt davon abhalten, in das Stahlwerk einzudringen. Auf der Straßenebene wurden ukrainische Fahrzeuge und Artillerie in Stellung gebracht, um Angreifer abzuwehren.

Das Stahlwerk selber ist untertunnelt. Insgesamt sechs Etagen gibt es unter der Erde, wo Tausende Menschen auf ein Ende der russischen Bombardierung hoffen. Die Tunnel haben eine Gesamtlänge von 24 Kilometern und ­schützen vor Bombenangriffen.

Taktischer Vorteil für die Verteidiger: Sie können das verworrene Tunnelsystem für Hinterhalte nutzen und so mögliche Angriffe effektiv abwehren.

Der letzte Widerstand im Stahlwerk in Mariupol - Infografik
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