Andreas Lust in der Rolle des Heinz-Christian Strache beim Dreh zu "Die Ibiza-Affäre", ab 21. Oktober auf Sky.

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STANDARD: Gefühlsfragen verbittet man sich als Journalistin ja für gewöhnlich, aber in diesem Fall erlaube ich mir sie zu stellen: Being H.-C. Strache – wie fühlt sich das an?

Lust: Ich muss sagen, das fühlt sich sehr gut an. Du hast alles, bist am Höhepunkt deiner Karriere. Ich habe mich sehr wohl gefühlt, vor allem auf Ibiza. Es war eine schöne Zeit.

STANDARD: Bitte ganz von Anfang an: Wie kamen Sie zur Rolle? Ein Casting mit ganz vielen H.-C. Straches?

Lust: Klar, da standen hunderte Fans, die musste ich von der Ausstrahlung und Aura des H.-C. überzeugen (lacht). Ganz ehrlich gesagt, ich hab dafür gecastet. Ich fand die Idee kurios. Wir probierten das, es dürfte gelungen sein.

STANDARD: Und dann haben Sie sich monatelang sieben Stunden Ibiza-Video reingezogen. Oder wie haben Sie sich die Figur angeeignet?

Lust: Ich habe natürlich alles gesehen, was es an öffentlichen oder halböffentlichen Auftritten zu sehen gibt, und ich versuchte über den Lebenslauf Parallelen zu finden. Wie ist er aufgewachsen, welche Idealfiguren hatte er um sich? Wir sind ungefähr gleich alt und in einem ähnlichen Wien und unter ähnlichen Umständen aufgewachsen. Ich möchte jetzt nicht wieder die alleinerziehende Mutter bemühen, aber das hat schon etwas zur Folge.

STANDARD: Brauchen Sie als Schauspieler Parallelen mit Ihren Figuren?

Lust: Auf jeden Fall. Du musst die Figur irgendwie empathisch nachvollziehen, ein Gefühl dafür bekommen. Wenn das nicht klappt, bleibt es eine Behauptung. Ich versuche jede Figur zu erleben. Unabhängig von der politischen Message muss ich den Menschen verstehen und seine Motive nachvollziehen können.

STANDARD: Wie wurden die Szenen einstudiert?

Lust: In den Wochen davor haben wir die Choreografie mit unserer Coaching-Frau Susi Stach festgelegt und trainiert, vor allem die einschlägigen Szenen, die man aus dem Video kennt. Wir haben wirklich jeden Fingerzeig, jede Bewegung abgestimmt, wann kommt welcher Satz, wann kommt die Zigarette, abäschern, wann lachen, husten, wir haben alles auf den Millimeter genau geprobt. Das Video lief parallel, wir konnten uns immer wieder korrigieren. Ich kam mir zum Teil vor wie ein Musicalschauspieler.

STANDARD: Eine heikle Aufgabe: Macht man zu viel, wird es zur Parodie, zu wenig, heißt es, na, der gleicht ihm ja gar nicht.

Lust: Die Choreografie allein ist zu wenig, es braucht eine Motivation.

STANDARD: Was ist die Motivation?

Lust: Die Figur mit Leben füllen, du musst meinen, was du sagst.

STANDARD: Wie stellt man das her?

Lust: In dem Fall haben wir zwei, drei Red Bull getrunken und ein paar Wodka – und die Motivation war da (lacht).

STANDARD: Und schon will man selbst die "Kronen Zeitung" kaufen. War es leicht, die Rolle am Abend abzulegen?

Lust: Ich hatte tatsächlich über den ganzen Drehzeitraum die Armbänder an, und ich habe begonnen, "Clash of Clans" zu spielen. Und das spiele ich heute noch.

STANDARD: Und auch schon viel Geld ausgegeben?

Lust: Ich gebe gar kein Geld aus, ich spiele es aus Spaß an der Freude. Mittlerweile auf Level 12. Natürlich bleibst du in dem Drehzeitraum in der Figur, irgendetwas an Restenergie bleibt in dir, die du dann immer wieder hochspielst. Nachhaltige Veränderungen befürchte ich nicht, ich trage auch die Bänder nicht mehr.

STANDARD: Wie kann man sich den Dreh vorstellen – wie jeden anderen auch oder mit Anwalt am Set und unter ständiger Überwachung?

Lust: Es war in verschiedenster Hinsicht speziell. Es war nicht die ganze Zeit ein Anwalt da, aber im Hintergrund gab es Rechtsexperten, die darauf schauten, dass wir uns nicht irgendwo hinbewegten, wo wir angreifbar gewesen wären. Wir wollten nicht zu krass werden, haben uns im Grunde genommen selbst zensuriert und gingen sehr vorsichtig in die Vollen.

STANDARD: Gab es direkte Kontakte?

Lust: Nein, davon hätte ich mir nichts versprochen. Ich hätte mir auch nicht vorstellen können, dass sich H.-C. mit mir trifft, wir gehen auf ein Achterl und "Erzähl mir was". Vielleicht meldet er sich noch. Soweit ich weiß, war Julian Lohmann, der Johann Gudenus gespielt hat, mit dessen Lebensgefährtin in Kontakt.

STANDARD: Gedreht wurde tatsächlich an Originalschauplätzen, das heißt, auch in der Finca.

Lust: In der Finca. Das ist mittlerweile ein kleines Museum, ein Stück Österreich in Spanien. Ein historischer Moment. Dadurch, dass wir in dem Originalsetting waren, hatten wir schon das Gefühl, wir sind tatsächlich in diesem bunten Abend gelandet.

STANDARD: Wie viel Red Bull mit Wodka wurde konsumiert?

Lust: Es wurde Wodka und Champagner getrunken, aber immer erst nach dem Dreh.

STANDARD: Wo waren für Sie in der Serie die neuen Erkenntnisse in der Materie?

Lust: Es hat mich aufmerksam gemacht für alles, was dann in weiterer Folge passiert ist. Ich verfolge das mit Spannung und habe das Gefühl, es ist ein ganz wichtiger Teil, den wir da mitbeleuchtet haben, nämlich der Beginn von dieser ganzen Entwicklung. Es ist so etwas wie eine Taschenlampe, die in diesen politischen Keller reinleuchtet in der Hoffnung, dass irgendwann der Schalter gefunden und das Licht komplett aufgedreht wird. Ibiza ist der Beginn dessen, dass diese Politikerkaste schließlich und endlich komplett zerbröselt. Es wird nichts mehr so einfach geglaubt. Für meine Großmutter war noch, was in der Zeitung gestanden hat, die Wahrheit. Das gibt es in meiner Generation schon nicht mehr, und dass Politiker manchmal lügen, wissen die Leute auch. Aber es war noch nie so sichtbar.

STANDARD: Und es kommt immer mehr zum Vorschein.

Lust: An einer zweiten Staffel wird bereits geschrieben (lacht). Da werden die Nasen schrumpfen und die Ohren wachsen.

STANDARD: Welcher Politiker ist für Sie der beste Schauspieler?

Lust: Ich kann es andersherum beantworten: Ich halte Strache für sehr authentisch, goschert, patschert, aber für keinen großen Schauspieler. Da gibt es andere – größer, wenn auch nicht unbedingt besser. (Doris Priesching, Thorben Pollerhof, 20.10.2021)

"Die Ibiza-Affäre" und Andreas Lust zum Hören im STANDARD-Podcast Serienreif: