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Tarantino will Drehbuch-Seiten versteigern

17. Januar 2022

Der Hype um "non-fungible tokens" greift um sich, auch unter Promis. Quentin Tarantino will das "Pulp Fiction"-Drehbuch als NFT versteigern. Das Filmstudio wehrt sich.

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Film | Pulp Fiction von Quentin Tarantino
Bild: United Archives/picture alliance

US-Regisseur Quentin Tarantino bringt am Montag (17.01.2022) seine erste NFT-Kollektion auf den Markt. Versteigert werden einzelne Kapitel aus dem Drehbuch zu dem Filmklassiker "Pulp Fiction". Jeder NFT soll aus einer einzigen ikonischen Szene bestehen und einen persönlichen Audiokommentar des Regisseurs beinhalten. Der Sammler erhalte laut offizieller Ankündigung "einen Einblick in die Geheimnisse des Geistes und des kreativen Prozesses von Quentin Tarantino". 

Dagegen hat jetzt das Filmstudio Miramax Klage wegen Vertragsbruch eingereicht. Mit den Scans seiner handschriftlichen Drehbuchseiten verletzte der Regisseur die Urheberrechte, erklärte das Studio, das den Film produzierte. Die Sache ist kompliziert, denn 1994, als "Pulp Fiction" in die Kinos kam, waren NFTs noch Zukunftsmusik. Miramax treibt jetzt die Sorgen um, dass nach Tarantino noch weitere Beteiligte auf die Idee kommen könnten, NFT-Geschäfte zu machen. Tarantinos Anwälte sehen das anders, die Versteigerung soll wie geplant stattfinden. 

Was sind NFTs?

Was Tarantino als exklusives Paket anbietet, gibt's auch eine Nummer kleiner, denn "non-fungible tokens", kurz NFTs, sind zunächst einmal nichts anders als digitale Werke. Das können Bilder, Fotografien, Kunstwerke sein, Videos und Animationen, aber eben auch Texte, Tweets, Quellcodes und Musik in digitaler Form. Das Besondere an ihnen ist, dass sie "non-fungible" sind, also nicht austauschbar. Wer ein NFT erwirbt, besitzt also das Original. 

Was ist eine Blockchain?

Eine digitale Datei zu etwas Einzigartigem zu machen - obwohl sie vielleicht hunderttausendmal frei verfügbar im Internet auftaucht, heruntergeladen und auf die eigene Festplatte kopiert werden kann - wurde erst durch NFTs möglich. Dahinter steckt eine spezielle Technologie: Blockchain. Die Information über ein Bild wird dabei in einem Block gespeichert, kommt eine neue Information hinzu - zum Beispiel wenn ein Sammler ein Bild kauft - wird ein neuer Block erstellt und mit dem vorherigen verknüpft. So entsteht eine Kette - die Blockchain. Sie sammelt alle Informationen, so dass immer nachvollziehbar ist, wer - um bei unserem Beispiel zu bleiben - das Bild erstellt hat, wer es zu welchem Preis gekauft hat und an wen es weiterverkauft wurde.

In der Regel werden NFTs über Online-Marktplätze verkauft oder versteigert, aber auch bei renommierten Auktionshäusern wie Christies kommt digitale Kunst mittlerweile unter den Hammer. Am Verkauf über Online-Marktplätze verdienen die Betreiberinnen und Betreiber der Plattformen, die Verkäuferinnen und Verkäufer und - über eine so genannte "gas fee", die beim Erstellen eines NFTs anfällt - die Leute, die mit Hilfe von elektronischen Geräten hochkomplexe Rechenaufgaben lösen, um einen Block zu erstellen. Wer ein NFT veröffentlicht, hat dadurch erstmal hohe Ausgaben - ohne vorher zu wissen, ob er überhaupt Kaufinteressierte finden wird.

Viele wollen am NFT-Markt mitmischen

Trotzdem bieten inzwischen zahlreiche Unternehmen NFTs an. Zu verlockend ist die Aussicht auf große Gewinne. Hinzu kommt, dass Urheberinnen und Urheber auch prozentual an jedem Weiterverkauf eines Werks beteiligt werden können. Spieleunternehmen wie Ubisoft bieten digitale Waffen oder Outfits für ihre Spiele an, Modeunternehmen wie Nike verkaufen unter anderem digitale Sneaker. Die Nachrichtenagentur AP will ab Ende Januar preisgekrönte Fotografien als NFTs versteigern. Die DW hat in einem Selbstversuch ebenfalls ein NFT angeboten und den Gewinn an "Reporter ohne Grenzen" gespendet.

Auch viele Prominente versuchen ihr Glück mit NFTs - sowohl als Käufer, wie als Urheberinnen. Eine von ihnen ist die Schauspielerin Mila Kunis, die mit ihrer Firma die Animationsserie "Stoner Cats" produziert, die wiederum über NFTs finanziert werden soll.

Der Vorteil der prominenten NFT-Schöpfer ist, dass sie sich an hohen Gebühren nicht stören werden und schon ein große Fangemeinde im Rücken und häufig auch viele Follower in den sozialen Medien haben, so dass eine Meldung über einzigartige NFT-Kollektion schnell die Runde macht. Paris Hilton wirbt schon seit langem für NFTs. "NFTs sind die Zukunft für Urheber, Kreative und Sammler, und dies ist erst der Anfang", sagte die Hotelerbin Paris Hilton im November 2021 der Nachrichtenagentur "Bloomberg News". 

NFTs sind ausgesprochen klimaschädlich

Ob NFTs ein kurzzeitiges Phänomen bleiben oder sich als stabile Wertanlage am Markt etablieren, ist nicht absehbar. Aktuell sind es vor allem Spekulationsobjekte, da die Preise, die in der Regel mit Kryptowährungen bezahlt werden, starken Schwankungen unterliegen. Zudem ist die Technologie sehr schlecht fürs Klima, da sie viel Rechenleistung benötigt und dadurch einen hohen Energieverbrauch hat.

Öffnung des Kunstmarkts durch NFTs

Befürworter der NFTs betonen, dass sie den Kunstmarkt für Sammler öffnen, die bislang nicht am Kunstmarkt aktiv waren haben. Über die Online-Marktplätze haben alle Zugang zu den Kunstwerken und jede Künstlerin, jeder Fotograf, jede Entwicklerin kann ihre eigenen Werke dort anbieten. Durch die Technologie werden Institutionen wie Galerien überflüssig, weil die Käuferinnen und Käufern über so genannte "smart contracts" direkt mit den Kreativen in Kontakt treten und ihr Geschäft abschließen können.

Noch scheint der Hype um NFTs ungebrochen, aber tatsächlich sind es nur einige wenige, die damit viel Geld verdienen. Auch Prominenten reißen die Menschen nicht automatisch alles aus den Händen, wie Rammstein-Frontmann Till Lindemann am eigenen Leib erfahren hat. Bis heute sitzt er auf einem Berg von NFTs, für die selbst treue Rammstein-Fans kein Geld ausgeben wollen. Ob Quentin Tarantino ein ähnliches Schicksal erleben wird, muss sich noch zeigen.