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Zahl der Grippefälle stark gestiegen

Medikamente und ein Fiberthermometer liegen im Vordergrund während man im Hintergrund einen an Grippe erkrankten Patienten im Bett liegen sieht.

Doppelt so viele Fälle von Grippe im Vergleich zur Vorwoche meldet das Robert-Koch-Institut. Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer erklärt im Interview, ob die Viren in diesem Winter aggressiver sind, was Kranken hilft und ob sich eine Impfung gegen Influenza noch lohnt.

In Deutschland hat sich die Zahl der Grippe-Fälle mehr als verdoppelt. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) wurden in der vergangenen Woche rund 44.300 Fälle gemeldet. Im Vergleich zur Woche davor sei das ein Anstieg um 58 Prozent.

Die Experten des RKI schätzen, dass zuletzt etwa jeder neunte Mensch in Deutschland an einer akuten Atemwegserkrankung gelitten hat. Das wären über neun Millionen Menschen.

Das sei deutlich mehr als bei schweren Grippewellen in den vergangenen Jahren, meldet das RKI. Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer erklärt, warum derzeit überdurchschnittlich viele Menschen erkranken und warum aber Panik nicht angesagt sei.

Virologe Martin Stürmer steht in seinem Labor

hessenschau.de: Herr Stürmer, hat es Sie auch schon erwischt?

Martin Stürmer: Toi, toi, toi, noch nicht. Die Nase hat mal gejuckt, aber dass ich ein paar Tage ausgeknockt gewesen wäre, das ist diesen Winter noch nicht passiert.

hessenschau.de: Viele Betriebe berichten, es gebe so viele Erkrankte. Ist das nur ein subjektives Gefühl oder sind tatsächlich mehr Menschen krank als sonst in dieser Jahreszeit üblich?

Stürmer: Im Vergleich zu den vergangenen zwei Jahren haben wir auf jeden Fall mehr Erkrankte, denn da gab es so gut wie keine Erkältungswelle - natürlich bedingt durch die strengen Corona-Maßnahmen. Die haben wir dieses Jahr nicht mehr, daher ist es logisch, dass wir wieder mit Erkältungserkrankungen zu tun haben.

Uns kommt es jetzt massiv vor - und teilweise stimmt es sogar: Die Grippewelle ist deutlich früher dran als sonst, und sie ist ziemlich heftig. Und die Infektionswelle bei den Kleinkindern mit dem RS-Virus ist auch deutlich heftiger als in den Jahren zuvor. Kurzum: Es ist nicht nur ein Gefühl, sondern auch Realität.

hessenschau.de: Woran liegt es, dass aktuell so viele Menschen erkrankt sind?

Stürmer: Wir haben durch die zwei Jahre Corona-Pause eine Art Nachholbedarf. Unser Immunsystem verlernt zwar nichts, aber wir haben in den vergangenen zwei Jahren keine Auseinandersetzungen mit diesen Erregern gehabt.

Von daher ist es nachvollziehbar, dass wir jetzt eine kleine Immunitätslücke haben. So lässt sich vielleicht erklären, warum wir jetzt deutlich heftigere Wellen haben, als wir sie vor Corona vielleicht gehabt haben.

Nichtsdestotrotz gab es auch vor Corona mal eine heftige Grippewelle. Der Nachholeffekt nach den zwei Wintern mit Corona-Beschränkungen ist auch nicht so ausgeprägt, wie ihn manche herbeireden.

Unser Immunsystem hat ein Gedächtnis - weil es mit bestimmten Erregern nun länger nicht in Berührung kam, muss es sozusagen aus dem Stand-by-Betrieb erst wieder hochgefahren werden, was zu einer heftigeren Reaktion führen kann.

hessenschau.de: Welche Krankheitserreger sind derzeit im Umlauf?

Stürmer: Bei den Viren haben wir eine Influenza-Welle. Dieses Virus ist die Hauptquelle der Infektionen derzeit. Dann gibt es die Welle mit dem RS-Virus, das betrifft in den Kliniken hauptsächlich sehr kleine Kinder, weil die dafür am empfänglichsten sind.

Schließlich Corona: Der Erreger spielt in unserem Alltag inzwischen eine untergeordnete Rolle, ist aber weiterhin präsent.

hessenschau.de: Wie kann man sich am besten vor einer Ansteckung schützen?

Stürmer: Das ist wie immer. Wir kennen die Maßnahmen spätestens seit der Corona-Zeit sehr gut: Kontakte reduzieren, Hände waschen, Abstand zu anderen halten und Menschenansammlungen vermeiden, Impfangebote wahrnehmen.

Und wer will, kann weiterhin eine Maske tragen, die hilft auch gegen andere Infektionskrankheiten sehr gut.

hessenschau.de: Lohnt sich jetzt noch eine Grippeschutzimpfung?

Stürmer: Das war immer unsere Empfehlung - außer man will sich erst im März impfen lassen, dann wäre es zu spät. Die Grippewelle hat zwar früher begonnen als erwartet, aber eine Impfung lohnt sich noch.

In Kombination mit der Covid-Impfung kann man dazu beitragen, dass die Infektionswellen flacher werden.

hessenschau.de: Wie kuriert man eine Grippe oder eine Erkältung am besten aus?

Stürmer: Im Fall einer Ansteckung helfen eigentlich nur Bettruhe und die üblichen Hausmittel gegen typische Symptome wie Kopfschmerzen und Fieber. In der Regel reicht das bei jüngeren Menschen.

Bei schwereren Verläufen kann es sein, dass man sich im Krankenhaus oder medikamentös behandeln lassen muss.

hessenschau.de: Manche Menschen berichten davon, dass sich bei ihnen die Symptome hartnäckiger hielten als gewohnt. Sind die Viren dieses Jahr aggressiver als sonst?

Stürmer: Nein, es sind die bekannten Viren. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die aktuell zirkulierenden Erreger aggressiver sind.

Dass man nach einer Infektion nicht so schnell auf die Beine kommt, ist gerade bei der Influenza normal.

Die Fragen stellte Timo Kurth.

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