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Maximalpreis im EU-Großhandel EU-Kommission schlägt Gaspreisdeckel in Höhe von 275 Euro vor

Die EU-Kommission hat einen Preisdeckel für den europäischen Gashandel vorgeschlagen: Dieser soll nur unter bestimmten Bedingungen greifen und gilt nur für Großkunden, die am TTF einkaufen. Die EU-Staaten müssen dem Vorschlag allerdings noch zustimmen.
EU-Energiekommissarin Kadri Simson bezeichnet den Gasdeckel als einen "Mechanismus der letzten Instanz"

EU-Energiekommissarin Kadri Simson bezeichnet den Gasdeckel als einen "Mechanismus der letzten Instanz"

Foto: JULIEN WARNAND / EPA

Die Europäische Kommission hat nach monatelangen Diskussionen einen festen Gaspreisdeckel im europäischen Großhandel vorgeschlagen. Unter bestimmten Bedingungen soll es einen Maximalpreis für Gas geben, das einen Monat im Voraus am Großhandelsplatz TTF gehandelt wird. "Es ist ein Mechanismus der letzten Instanz, um übermäßig hohe Preise, die nicht mit den globalen Preistrends übereinstimmen, zu verhindern und wenn nötig zu bekämpfen", sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson (45) am Dienstag in Straßburg. Die EU-Staaten müssen dem Vorschlag noch zustimmen. Die Bundesregierung sieht einen solchen Gaspreisdeckel kritisch, viele andere EU-Staaten bestehen jedoch darauf.

Anders als die Gaspreisbremse der Bundesregierung gilt der Deckel für Großkunden, die am TTF einkaufen, und nicht für Endverbraucher. Der Deckel würde automatisch greifen, wenn der Preis für im Folgemonat zu lieferndes Gas zwei Wochen lang 275 Euro pro Megawattstunde übersteigt und gleichzeitig mindestens 58 Euro höher ist als der Referenzpreis für Flüssiggas (LNG) am Weltmarkt. Aufträge oberhalb des Preislimits würden dann nicht mehr akzeptiert. Der Mechanismus soll ab Januar ein Jahr lang gelten. Um Engpässe bei der Versorgung zu vermeiden, soll der Preisdeckel regelmäßig überprüft und jederzeit außer Kraft gesetzt werden können.

Hintergrund des Vorschlags ist der starke Anstieg der Gaspreise angesichts der drastischen Kürzung russischer Gaslieferungen. So erreichte der aktuelle Gaspreis am TTF im August einen Rekordwert von ungefähr 350 Euro pro Megawattstunde. Seitdem ist er stetig gesunken auf rund 116 Euro pro Megawattstunde - immer noch ein Vielfaches im Vergleich zu vergangenem Jahr. Der Mechanismus könnte der Kommission zufolge ähnliche Preisspitzen wie im August eindämmen und so die Märkte beruhigen, da viele europäische Lieferverträge an den TTF-Preis gekoppelt sind. Der Deckel ist demnach aber kein Instrument, um die Preise dauerhaft zu senken.

Gas könnte dem Vorschlag zufolge weiterhin frei außerhalb des TTF gehandelt werden und der sogenannte Spotpreis für Gas wäre nicht betroffen. Am Spotmarkt kaufen und verkaufen Anbieter kurzfristig Mengen, um etwa die Versorgung des nächsten Tages abzusichern. Die EU-Kommission schlägt auch vor, das EU-Gaseinsparziel von 15 Prozent verpflichtend zu machen. So soll verhindert werden, dass der Gasverbrauch steigt.

EU-Staaten teilen sich in Unterstützer und Skeptiker

Ob die EU-Staaten sich auf den Vorschlag einigen können, ist allerdings alles andere als sicher. "Es besteht das große Risiko, dass dieser Vorschlag den Streit zwischen den Mitgliedstaaten nicht schlichten kann und weitere wertvolle Zeit verloren geht", sagte der EU-Abgeordnete Rasmus Andresen (Grüne; 36) der Deutschen Presse-Agentur. Eine Mehrheit der EU-Staaten unterstützt einen Maximalpreis am TTF - besonders Italien, Polen, Belgien und Griechenland pochen darauf. Ihnen dürfte der Vorschlag der Kommission jedoch nicht weit genug gehen, da die Bedingungen für die Preisgrenze relativ streng sind. So kommentierte etwa Andresen, dass der Mechanismus im August nicht ausgelöst worden wäre, hätte er da schon existiert, da die Preisgrenze nicht zwei Wochen lang überschritten wurde.

Deutschland, die Niederlande und wenige andere Staaten stehen einem Preisdeckel skeptisch gegenüber und befürchten, dass es Probleme mit der Versorgungssicherheit geben könnte. Die Bundesregierung dürfte darauf hoffen, dass der Mechanismus so beschlossen wird, dass er wohl nie zum Einsatz kommt. Nach Ansicht des Energie-Experten Lion Hirth von der Hertie School in Berlin könnte der Preisdeckel dazu führen, dass Händler auf andere Handelsplätze als den TTF ausweichen und etwa bilateral Verträge abschließen. "Ob dann überhaupt noch ein einziger Verkäufer an der Börse wäre, weiß ich nicht." Händlern bliebe auch die Möglichkeit, ihr Gas zu dem gedeckelten Preis schlicht nicht zu verkaufen, sagte Hirth der dpa. "Selbst ohne Ausweichbewegung besteht aus meiner Sicht die ganz realistische Chance, dass der Markt komplett austrocknet."

Auch die Energiebörse EEX warnte vor der Gaspreisobergrenze. Diese stelle eine Gefahr für die finanzielle Stabilität und die Versorgungssicherheit dar, hieß es in einer Mitteilung. Vor der Anwendung einer Preisobergrenze müsse eine Bewertung der Risiken erfolgen. Am Donnerstag treffen sich die EU-Energieminister, um den Vorschlag der Kommission zum ersten Mal zu besprechen. Thema sollen auch zuvor vorgeschlagene Notfallgesetze über gemeinsame Gaseinkäufe und schnellere Genehmigungen etwa für Solaranlagen sein. Diese gelten als weniger umstritten als der Gaspreisdeckel.

frm/dpa-AFX