Er ist ein Meister des Body Horror. Nun kehrt David Cronenberg zu seinen Wurzeln zurück. Doch die alte Kraft hat ihn leider verlassen.

Jüngst hat David Cronenberg seine Fans nachhaltig irritiert. Indem er in einem Interview postulierte, so etwas wie Body-Horror gäbe es nicht. Dabei gilt der kanadische Filmregisseur doch als Meister eben jenes sehr speziellen Subgenres, dem er Klassiker, ja Grundsteine wie „Videodrome“, „Die Fliege“ und „eXistenZ“ bescherte.

In den letzten Dekaden hat sich Cronenberg von seinem ur-eigenen Metier abgewandt und sich in anderen Genres erprobt: ob Gangsterfilm („A History of Violence“), Historienfilm („Tödliche Versprechen“) oder Hollywood-Satire („Maps to the Stars“). Womit er die Fans nicht unbedingt überzeugen konnte.

„Crimes of the Future“: Der Kick zur Selbstverstümmelung

Doch wie um seine Aussage selbst zu widerlegen, kehrt der Kultregisseur nun, mit immerhin 79 Jahren, zu seinen Ursprüngen zurück. Und das gleich in doppelter Hinsicht. Indem er besagten Body Horror bedient. Und seinen Film so benennt wie einen seiner allerersten Titel 1970: „Crimes of the Future“.

Es ist kein Remake, sondern eine eigene Geschichte. Aber die wandelt wieder, auch wenn Cronenberg sich der Kategorisierung verweigert, in vertrauten Bahnen. Geht es doch einmal mehr um extreme Transformationen des menschlichen Körpers. Und auch die abgründige sexuelle Lust daran.

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In einer nicht näher genannten Zukunft sind Zivilisationsplagen wie Schmerz und Krankheit weitestgehend überwunden. Mit technisch hochaufgerüsteten Gerätschaften können im Nu komplizierte Operationen durchgeführt werden, und das ohne Narkose. Cronenberg hält sich aber gar nicht erst mit etwaigen Vorzügen einer derartigen Entwicklung auf. Sondern zeigt gleich deren abgründige Schattenseiten.

Explizite Szenen: Da sollte man lieber kein Popcorn essen

Denn in dieser düsteren Fantasiewelt erregen sich nicht wenige Menschen daran, sich ihre Körper zu verstümmeln und zu zerschneiden. Narben und Wundmale sind die neuen Tattoos, die man mit Stolz trägt. Und wieder andere erregen sich daran, bei diesen Selbstkasteiungen und Entstellungen zuzusehen. Es gibt eine ganze illegale Subkultur, wo man diesen Ausschweifungen frönt.

Und ein Künstlerpaar beherrscht diese Szene: Saul (Viggo Mortensen), dem aufgrund einer Degeneration ständig neue Organe wachsen, und seine Geliebte Caprice (Léa Seydoux), die ihm diese mittels einer ursprünglich für Autopsien vorgesehen Apparatur aus dem Leib schneidet und dem versessenen Publikum präsentiert.

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Ist das noch Kunst oder kriminell? Timlin (Kristen Stewart,l.) späht argwöhnisch Caprice (Léa Seydoux) aus.
Ist das noch Kunst oder kriminell? Timlin (Kristen Stewart,l.) späht argwöhnisch Caprice (Léa Seydoux) aus. © Weltkino

Doch bald interessiert sich nicht nur Timlin (Kristen Stewart), eine Ermittlerin der staatlichen Organ-Registratur, für Saul. Ein Fremder (Scott Speedman) will ihn gar überreden, seinen toten Sohn öffentlich zu sezieren.

Cronenberg zitiert sich nur noch selbst

Das ist nichts für schwache Nerven. Einige Szenen sind explizit. Man sollte dabei kein Popcorn verzehren. Cronenberg gelingen damit ein paar böse Seitenhiebe. Indem er die plastische Chirurgie auf den Kopf stellt. Oder Kunstperformances ins Makabre überzieht. Und einmal mehr ist auch seine Dauermuse Mortensen wieder dabei.

Doch eine zweite Ebene mag sich nicht einstellen. Und während seine frühen Filme visuell überwältigten, wirkt dieser eher schlaff und ungewohnt konventionell. Ein gereiftes Alterswerk sieht anders aus. Cronenberg scheint sich nur noch selbst zu zitieren. Oder auszuweiden.

Thriller CAN/F/GB/GRC 2022, 107 min., von David Cronenberg, mit Viggo Mortensen, Léa Seydoux, Kristen Stewart, Scott Speedman