Berlin. Union verpflichtete Max Kruse erst vor dieser Saison. Doch der Stürmer kann sich schon jetzt in der Vereinshistorie verewigen.

An den Namen Jacek Mencel wird sich Max Kruse sicher nicht erinnern. Er dürfte ihn gar nicht kennen. Der Pole spielte von 1990 bis 1994 für den 1. FC Union und hat es in dieser Zeit geschafft, sich mit 66 Treffern zum Rekordtorschützen der Köpenicker in der Vereinshistorie zu verewigen.

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Mit den Namen Torsten Mattuschka und Sebastian Polter wird Kruse schon mehr anfangen können. Auch weil sie für Union zu Helden im Derby gegen Hertha BSC wurden. Mit „Tusche“ und „Polti“ sind die beiden Derby-Siege gegen den Lokalrivalen untrennbar verbunden. Und sie haben mit jeweils 42 Toren in der Zweiten Liga so oft getroffen für die Köpenicker wie sonst keiner.

Sebastian Andersson wiederum ist beim Bundesligisten Union präsenter denn je. Zwölf Tore erzielte der inzwischen für den 1. FC Köln spielende Stürmer, was ihn automatisch zum besten Union-Schützen im Oberhaus macht. Noch. Denn Kruse (zehn Tore) ist bei Union angetreten, diesen Rekord zu brechen und selbst den Platz in der Union-Chronik einzunehmen. Und das Derby gegen Hertha BSC am Ostersonntag (18 Uhr, Sky) in der Alten Försterei kommt dem 33-Jährigen da gerade recht.

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Union Berlin braucht Unterschiedsspieler Kruse

Es ist sicher Zufall – oder ein Wink des Schicksals? – dass es ausgerechnet das vierte Bundesliga-Duell um die Stadtmeisterschaft ist, mit dem sich Kruse bei Union unsterblich machen kann. Das wird ihm sicherlich gefallen, eine gewisse Eitelkeit haftet jedem Fußball-Profi an. Extra darauf angelegt hat er es sicherlich nicht. Denn Kruse, so verdeutlichte es gerade erst bei Sky wieder Martin Harnik, Kruses Kumpel aus gemeinsamen Anfangstagen beim SC Vier- und Marschlande in Hamburg, „ist in kein System oder in eine Position einzupassen“. Das gilt für die 90 Minuten auf dem Platz ebenso wie außerhalb des Spielfeldes.

Die Elogen auf ihn verdeutlichen trotz aller Wiederholungen immer wieder aufs Neue, dass Kruse in der immer glatter geschliffenen Branche „auf seine Art und Weise total besonders“ (Harnik) ist. Im Grunde genommen der letzte seiner Art. Er ist der „Unterschiedsspieler“ (Union-Trainer Urs Fischer), den Union brauchte, um sich spielerisch weiterzuentwickeln.

Was Kruse nicht ausschließlich auf sich bezieht. „Es sieht jeder, dass eine spielerische Entwicklung vorhanden ist. Aber ich will das nicht nur an mir festmachen“, sagte er bei Sky: „Um Erfolg zu haben, muss man seinen Spielstil anpassen, und ich versuche, meinen Teil dazu beizutragen. Aber auch die anderen Jungs machen das gut und entwickeln sich weiter.“

Union Berlin gibt Kruse die nötigen Freiheiten

Kruse ist der Star in einem Team, das keinen Star zulässt und den auch er selbst nicht heraushängen lässt. Er wird „bei Union mit seiner Art akzeptiert“, sagte Florian Kohfeldt. Kruses ehemaliger Trainer bei Werder Bremen charakterisiert den Profi wie folgt: „Max ist ein gerader, teilweise unbequemer, aber mit Sicherheit kein schwieriger Charakter.“ Kruse selbst gibt mit Blick auf Union zu verstehen: „Für mich ist ein gewisser Wohlfühlfaktor wichtig, um gute Leistungen zu bringen. Egal ob du Zeugwart bist, hier die Wäsche machst, oder ob du auf dem Platz stehst: Hier herrscht eine Harmonie, jeder geht respektvoll mit dem anderen um. Das ist das große Plus, das dieser Verein hat.“

Er selbst findet dabei stets die richtige Mischung aus antreibendem Ehrgeiz und einnordendem Blick über den Tellerrand der kickenden Branche hinaus. Und er wirkt dabei ehrlich und authentisch. „Laufen am freien Tag? Normalerweise ein absolutes No-Go für mich. Aber für ‘Viva con Agua’ mache ich natürlich eine Ausnahme“, wirbt Kruse per Instagram am Weltwassertag (22. März) auf Instagram für die Stiftung, die sich für sauberes Trinkwasser in Afrika einsetzt.

Dieses soziale Engagement oder auch die Unterstützung anderer soziale Projekte, für die er auch schon mal zum Grillen im privaten Ambiente einlädt, um Spenden zu sammeln, mag so gar nicht zum Klischee des Zockers passen, das mit ihm nicht zu Unrecht verbunden wird. „Er braucht seine Freiheiten, und ihm muss Vertrauen entgegengebracht werden. Dann zahlt er das auch zurück“, sagt Harnik.

Union Berlin profitiert von Kruses Kreativität

Bei Union bekommt er diese Freiheiten. Und er zahlt sie mit Leistung zurück. „Er macht das Spiel anders und gibt dem Team Ruhe. Er steht oft zwischen den Räumen und ist dadurch immer anspielbar“, erklärt zum Beispiel Verteidiger Nico Schlotterbeck, wie wichtig Kruse für das Union-Spiel ist. Und wie weit er die Mannschaft bereits gebracht hatte, ehe ihn der Muskelbündelriss im ersten Derby der Saison außer Gefecht gesetzt hatte.

Was folgte, war für Kruse nicht weniger als die Hölle. Reha-Maßnahmen und Aufbautraining, statt mit den Teamkollegen zu trainieren und am Höhenflug mitzuwirken. Dass Kruse nun ausgerechnet zum Rückspiel gegen Hertha wieder ganz dicht an seiner Optimalleistung ist, passt da ins Bild.

„Ob er schon bei hundert Prozent ist, ist unheimlich schwierig zu sagen, er ist doch eine sehr lange Zeit ausgefallen“, sagt Trainer Urs Fischer, „aber er nähert sich der Zahl. Und man hat in Frankfurt gesehen, wie wichtig er für unser Spiel ist, wenn es um die Vorwärtsbewegung geht, die Spielfortsetzung. Er hat die Kreativität, das hilft gerade in der Vorwärtsbewegung.“

Bringt Union Berlin Kruse zu Olympia?

Da bei Union mit Taiwo Awoniyi (Muskelverletzung) und Sheraldo Becker (Knöchel-Operation) zwei schnelle Offensivspieler weiter ausfallen, wird Kruse um so wichtiger. Weil er sich immer im Rücken des Gegners aufzuhalten versucht, um dann entscheidend ins Spiel einzugreifen. Oft überraschend und meist fair: In den 503 Pflichtspielen seiner Karriere sah er nie die Rote Karte und nur 28 Mal Gelb.

Sogar für die deutsche Olympia-Auswahl hat sich der Angreifer wieder ins Gespräch gebracht, auf dem Platz und auch verbal („Der Traum wird nie aufhören“). Der verantwortliche Bundestrainer Stefan Kuntz hat bereits durchblicken lassen, dass Kruse „richtig Bock“ auf Olympia hat. Und was sagt Kruse? „Dafür kann ich mich nur empfehlen, wenn ich bei Union meine Leistung bringe. Also heißt es, weiter Gas geben, und dann schauen wir, was im Sommer passiert.“

In 327 Spielen in Bundesliga und Zweiter Liga bringt es Kruse auf 104 Tore und 83 Vorlagen. Beeindruckende Zahlen einer inzwischen 14 Jahre dauernden Profikarriere. Bei Union kann er sich nun zum Rekordspieler küren. Als Torschütze im Derby gegen Hertha und Rekord-Torjäger in der Bundesliga. Man würde ihn in Köpenick dann in einem Atemzug mit Torsten Mattuschka und Sebastian Polter nennen. Und vielleicht auch mit Jacek Mencel.

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