Kleine Geste statt großer Pose: Gene Hackman wird 90
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Von Frank Preuß
Berlin. Viel zu früh hat sich Gene Hackman, der zweifache Oscar-Gewinner, aus dem Filmgeschäft zurückgezogen. Eine Verbeugung zum Geburtstag.
Vermutlich hat Filmemacher Alan Parker ihm vor 20 Jahren mal eins der größten Komplimente gemacht. „Jeder Regisseur hat eine Liste mit Lieblingsschauspielern“, sagte der Brite damals, „Gene Hackman stand auf jeder.“
Ob Hackman, der heute seinen 90. Geburtstag feiert, mal wieder in der Öffentlichkeit auftaucht? Das letzte Foto, das man von ihm findet, ist zwei Jahre alt, es stammt aus einer Fahrrad-Zeitschrift und zeigt einen drahtigen Herrn mit Jeans und Baseballkappe beim Kauf eines E-Bikes in seiner Heimatstadt Santa Fé. Oft gesehen wird er darauf nicht, denn die Nachbarn seines Anwesens in einem Vorort berichten, dass er sich mit seiner Frau Betsy Arakawa (58) vollends zurückgezogen hat.
Gene Hackman: Schauspieler mit kontrolliertem Minimalismus
Ob man ihn noch einmal auf der Leinwand sehen werde, hatte ihn ein Reporter 2014 am Telefon gefragt, es hatte nichts von der anbiedernden Höflichkeit, mit der man sich die Sympathien seines Gesprächspartners erkaufen möchte. Denn wäre er noch einmal vor die Kamera getreten, hätte er den vielen, die seine Schauspielkunst schätzen, einen Wunsch erfüllt.
Diese Kunst, alles so unangestrengt, so einfach und normal aussehen zu lassen, dieser kontrollierte Minimalismus im Spiel, im Wissen, dass die kleine Geste stärker wirkt als die große Pose – wer hat das in Hollywood je besser beherrscht als dieser Eugene Alan Hackman?
Sein Gesicht hat das US-Kino der 70er-, 80er- und 90er-Jahre geprägt
Aber nach fast 90 Filmen, zwei Oscars für „French Connection“ und „Erbarmungslos“ und vier Golden Globes war 2004 Schluss für ihn. Man müsse zu viele Kompromisse machen, sagte er damals in der Talkshow des legendären Larry King. Er wolle den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen, fügte er hinzu und verabschiedete sich leise mit der Komödie „Willkommen in Mooseport“ aus dem Filmgeschäft. Er malt, hat ein paar Romane seither geschrieben.
Hackmans Gesicht mit der wuchtigen Nase und dem entspannten Lächeln des Erfahrenen, ein Gesicht, das Härte und Entschlossenheit, aber auch Zweifel und Ohnmacht spiegeln kann, ein Gesicht, das nie jung war, hat das neue US-Kino der 70er-, 80er- und 90er-Jahre so stark geprägt wie kaum ein zweites.
„Popeye“ Doyle machte Heckman endgültig zum Filmstar
Sein Repertoire war universell, er beherrschte Alphatiere und Jedermänner, Präsidenten und Polizisten. Oft vertraute man ihm den Schurken an, der seine Macht missbraucht. Nie spreizte er sich dabei wie all die Nicholsons und Pacinos, drängte sein Ego in den Blickpunkt, sondern verschrieb sich stets der Rolle.
Jack Nicholson – die Karriere in Bildern
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Sein unvergessener Auftritt als straßenköteriger Drogenfahnder Jimmy „Popeye“ Doyle, mit dem er in „French Connection“ eine brillante Charakterstudie ablieferte, machte ihn 1971 endgültig zum Star. Wer diesen Doyle dabei beobachtet, wie er seine nervöse Energie kaum im Zaum halten kann, sah das schauspielerische Potenzial, das in Hackman steckte.
Dabei hielten Lehrer ihn und seinen Kumpel Dustin Hoffman an der Schauspielschule in Pasadena 1958 für die Kandidaten mit den geringsten Erfolgsaussichten.
Hackman drehte im Akkord – auch Filme, die seine Mitwirkung nie verdient hätten
Dass drei seiner besten Filme in der Folge die Anerkennung versagt blieb, darunter Coppolas Meisterstück „Der Dialog“, in dem er als Abhörspezialist Opfer seiner eigenen Technik wird, hat Hackman für eine Weile zum Absahner werden lassen: Er drehte im Akkord, darunter Filme, die seine Mitwirkung nie verdient hätten, ihm aber üppige Gagen sicherten – besonders üppige als Supermans Gegenspieler Lex Luthor.
Mit Alan Parkers schmerzhaftem Rassismusdrama „Mississippi Burning“ und Clint Eastwoods bitterbösen Spätwestern „Erbarmungslos“ kehrte Hackman im Herbst seiner Karriere zum Qualitätskino und in die erste Reihe zurück. Er sammelte verdiente Auszeichnungen, darunter auch einen Silbernen Bären bei der Berlinale 1989.
Sein früher Abgang war ein schmerzlicher Verlust fürs Kino
Seine letzte große Filmszene – im Gerichtskrimi „Das Urteil“ 2003 – bewies noch einmal, welch schmerzlichen Verlust sein viel zu früher Abgang fürs Kino bedeutete: ein messerscharfes Rededuell zwischen zwei Anwälten (der andere ist Dustin Hoffman) auf einer Gerichtstoilette über die verkommene Moral einer Welt, in der das Recht zur Ware verkommt. Fünf Minuten, die man jedem Schauspieler als Anschauungsunterricht servieren müsste.
Es mache ihn nervös, sich auf der Leinwand zu betrachten, hat Gene Hackman einmal vor Jahren in einem Interview erzählt. „Alles was ich sehe, sind das Doppelkinn, die Tränensäcke unter den Augen und der schüttere Haaransatz.“ Er habe sich seine Filme deshalb nicht angesehen. Schade. Er hat so viel verpasst.