Blockade des Suezkanals: Ein Gericht in Ägypten lehnt einen Einspruch gegen das Festhalten der «Ever Given» ab

Das Nadelöhr Suezkanal ist für die internationale Schifffahrt wieder frei. Fünf Tage nach Ende der Blockade durch ein auf Grund gelaufenes Containerschiff hat sich der Stau Hunderter Schiffe wieder aufgelöst. Die Auswirkungen könnten aber noch länger spürbar sein.

Gerald Hosp
Drucken
Die «Ever Given» kann wieder weiterfahren.

Die «Ever Given» kann wieder weiterfahren.

Suez Canal Authority / Reuters

Was ist die aktuelle Situation im Suezkanal?

Fünf Tage nach Ende der Blockade im Suezkanal hat sich der Stau Hunderter Schiffe nach Angaben der Kanalbehörde aufgelöst. Die letzten rund 60 Schiffe von etwa 420, die seit dem Unfall des Frachters «Ever Given» auf Durchfahrt gewartet hatten, hätten den Kanal in beiden Richtungen passiert, teilte die Kanalbehörde am Samstag (3. 4.) mit. Ausserdem sollten am Samstag rund 25 Schiffe den Kanal durchfahren, die nach Aufhebung der Sperrung eingetroffen waren.

Der Vorsitzende der Kanalbehörde, Usama Rabi, sprach in einer Mitteilung von einer «Rekordzeit», in der die grosse Zahl an Durchfahrten gelungen sei. Die Verantwortlichen hätten ihre Arbeit «keine Sekunde» ruhen lassen, um die Fahrten aller wartenden Schiffe abzuwickeln.

Die Ermittlungen zur Frage, wie die «Ever Given» im Kanal auf Grund laufen konnte, dauerten an. Erst nach deren Abschluss werde es Gespräche über Schadenersatz geben, sagte Rabi. Durch die tagelange Blockade gingen dem Kanal täglich Einnahmen von rund 13 bis 14 Mio. $ verloren. Ägypten will dem 400 Meter langen Containerschiff die Weiterfahrt erst bei einer Einigung darüber erlauben. Die «Ever Given» hat am Grossen Bittersee zwischen dem nördlichen und südlichen Teil des Kanals geankert.

Wie verliefen die Bergungsarbeiten?

Das Containerschiff «Ever Given» war am 29. März wieder vollständig flottgemacht worden. Nach Angaben des Bergungsunternehmens Boskalis hatten Helfer dafür rund 30 000 Kubikmeter Sand weggebaggert. Die niederländische Firma hatte Ägypten bei der Freilegung des quer gestellten Frachters unterstützt.

Das 400 Meter lange Schiff bewegte sich nach der Bergung am 29. März erstmals wieder aus eigener Kraft auf dem Kanal. Sirenen begleiteten die Fahrt. Zehn Schlepper hatten die «Ever Given» zuvor aus vier Richtungen vom Kanalufer weggezogen. Von Vorteil war dabei die hohe Flut bei Vollmond in der Nacht zum 29. März gewesen.

Die Hilfs- und Bergungsteams am Suezkanal hatten mit Schleppern und Baggern über Tage versucht, das Schiff des japanischen Eigentümers zu befreien, das am 23. März auf Grund gelaufen war. Ägyptens Präsident Abdelfatah al-Sisi hatte bereits angeordnet, die teilweise Entladung von Containern vorzubereiten, falls die Versuche zur Freilegung weiterhin erfolglos bleiben sollten.

Die «Ever Given» wird nun nach der Bergung am Grossen Bittersee am nördlichen Ende des Suezkanals zwischen zwei Kanalabschnitten untersucht, inmitten eines Streits um eine Entschädigung für den Vorfall. Wann die «Ever Given» ihre Fahrt nach Rotterdam fortsetzen kann, war zunächst unklar. Ägypten will das Schiff erst weiterfahren lassen, wenn die Untersuchung des Vorfalls vollständig abgeschlossen ist. Am 4. Mai lehnte ein ägyptisches Gericht einen Einspruch gegen das Festhalten des Containerschiffs ab.

Das Containerschiff «Ever Given» im Suezkanal

Satellitenaufnahmen der Airbus Gruppe liefern eindrückliche Aufnahmen des gestrandeten Frachters.

Wie ist es zum Unfall des Containerschiffs im Suezkanal gekommen?

Das Containerschiff «Ever Given» hat tagelang den Suezkanal blockiert, der eine wichtige Route für den Güterverkehr zwischen Asien und Europa ist.

Üblicherweise fahren die Schiffe im Konvoi durch den Kanal. Die «Ever Given» war das fünfte Schiff einer solchen Kolonne, die nordwärts fuhr. Laut dem Betreiber des Suezkanals konnte das Frachtschiff wegen hoher Windgeschwindigkeiten und eines Sandsturms nicht mehr navigieren und ist auf Grund gelaufen. Danach lag es quer und machte die Durchfahrt des Kanals unmöglich. Die Frachter vor der «Ever Given» waren nicht von den Problemen betroffen.

«Ever Given» ist eines der grössten Containerschiffe der Welt. Es ist 400 Meter lang und kann rund 20 000 Container laden. Der Kanal weist eine Breite von 205 Metern auf. Die gigantischen Ausmasse des Frachtschiffs erschwerten eine Bergung.

Das Containerschiff «Ever Given», das unter der Flagge Panamas fährt und vom taiwanischen Unternehmen Evergreen gechartert ist, war von China nach Rotterdam unterwegs.

Der Unfall ereignete sich im südlichen Teil des Suezkanals. Der Wasserweg war im Jahr 2015 teilweise erweitert worden, damit er in beiden Richtungen gleichzeitig befahrbar ist. Dieser neue Teilabschnitt befindet sich aber im Norden des Unfallortes. Deshalb war der gesamte Kanal blockiert.

So riesig ist das Containerschiff «Ever Given»

Der im Suezkanal gestrandete Frachter im korrekten Grössenverhältnis zu bekannten Schweizer Landschafts- und Baumerkmalen

Wie wichtig ist der Suezkanal für den Welthandel?

Der Suezkanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer und bietet damit den kürzeste Schifffahrtsweg zwischen Asien und Europa. Im Jahr 2020 passierten nach Angaben der Suezkanal-Behörde fast 19 000 Schiffe die Wasserstrasse, im Durchschnitt 52 pro Tag. Durch die tagelange Blockade gingen dem Kanal täglich Einnahmen von rund 13 bis 14 Millionen Dollar verloren.

Über den Kanal, der 1869 eröffnet worden ist, wird rund 12% des über den Schiffsweg transportierten Welthandelsvolumens abgewickelt. Der Anteil am weltweiten Containerverkehr ist mit knapp einem Drittel noch grösser. Die Wasserstrasse verbindet Asien und die Erdölfelder des Nahen Osten mit Europa und Nordamerika (und umgekehrt).

Das gigantische Frachtschiff blockiert den wichtigen Wasserweg.

Das gigantische Frachtschiff blockiert den wichtigen Wasserweg.

Media Suez Canal Head Office / EPA

Eine längere Unterbrechung am Suezkanal hätte bedeutet, dass Frachtschiffe um das Kap der Guten Hoffnung im Süden Afrikas hätten fahren müssen, um Asien und Europa zu verbinden. Dies bedeutet eine Verlängerung der Transportzeit von bis zu zwei Wochen bedeutet.

Maersk, eine der grösste Reedereien der Welt, teilte am Montagmorgen mit, bereits 15 Frachtschiffe umgelenkt zu haben. Dadurch soll auch die Warteschlange am Suezkanal nicht verlängert werden. Derzeit sähe es aus, dass der Abbau des Rückstaus rund sechs Tage dauern könnte – wenn der Kanal wieder voll befahrbar ist. Auch wenn der Kanal so schnell wie möglich geöffnet werde, könnten die Auswirkungen auf die weltweiten Lieferketten noch Wochen oder Monate gespürt werden, sagte Maersk.

Der Vorfall kam zu einem schlechten Zeitpunkt für die weltweiten Lieferketten: Der Containerverkehr wird bereits seit Monaten durch Verzögerungen und gestiegene Transportkosten belastet. Die Pandemie und der Anstieg der Nachfrage nach Konsumgütern vor allem aus Asien führen zu Flaschenhälsen in der globalen Logistik. Die Havarie im Suezkanal wird die Probleme noch verschärfen.

Besonders von den temporären Schwierigkeiten betroffen dürften in Europa laut der Rating-Agentur Moody’s Industriebetriebe sowie Automobilhersteller und deren Zulieferer sein, die sich einer kosteneffizienten Just-in-time-Fertigung verschrieben haben, die auf lückenlosen Nachschub von Rohstoffen und Zwischenprodukten angewiesen ist.

Die Blockade der Wasserstrasse hat auch Auswirkungen auf den Landweg.

Die Blockade der Wasserstrasse hat auch Auswirkungen auf den Landweg.

Amr Abdallah Dalsh / Reuters

Hat der Erdölpreis reagiert?

Der Suezkanal ist eine wichtige Transportroute für Rohöl, Erdölprodukte und Flüssig-Erdgas (LNG). Das Beratungsunternehmen Wood Mackenzie schätzt, dass die grössten Auswirkungen für die Container-Schifffahrt anfallen.

Nach der Freilegung des blockierenden Containerschiffs sanken die Erdölpreise deutlich – in der Annahmen, dass wieder mehr Öl zur Verfügung stehen wird.

Als Folge der Havarie schwankten die Erdölpreise stark hin- und her. Vor der Blockade musste der Erdölpreis stark Federn lassen, weil sich die Wirtschaftsaussichten eingetrübt hatten. Die Preisbewegungen der vergangenen Tage zeigen dann den Stand der Hoffnungen auf eine Öffnung des Suezkanals. Auf die Zeit seit der Havarie gesehen, haben sich die Erdölpreis jedoch wenig bewegt.

Die Havarie bewegt die Ölpreise

Preis in Dollar
Brent
WTI

Wenn der Suezkanal ausfällt, können zwei Pipelines für Rohöl zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer die Auswirkungen mildern. Laut Wood Mackenzie dürfte der grösste Effekt bei einer länger anhaltenden Blockade beim Transport von Erdölprodukten vom Mittelmeer nach Asien liegen.

Passend zum Artikel
Weitere Themen