„Respect“-Stars im Interview: „Wie Aretha Probleme überwand, ist faszinierend“

Mit „Respect“ erscheint am 25. November ein Aretha-Franklin-Biopic, das wenige Überraschungen bereithält, als posthumes Tribut an die Queen of Soul aber berührt. ROLLING STONE im Gespräch mit Jennifer Hudson, Marlon Wayans und Liesl Tommy.

Die junge Aretha Franklin sitzt nachts in ihrem bescheidenen Appartement vor dem Klavier. Alltagskleidung statt Designerdress, schlaflos, die Stirn grüblerisch in Falten gelegt. Eine verschwommene Rückblende ­­­löst das Bild ab – vage Erinnerungen an lange verdrängte Kindheitstraumata – dann wieder „Re“, die sanft in die Tasten greift: „What you want, baby, I got it. What you need, you know I got it? All I’m asking, is for a little respect.“

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Viel „Respect“ für die Queen of Soul

Die anschließende Montage zeigt in polierten Bildern, wie sich Franklins größter Hit im Studio nahezu von selbst schreibt, bis die wiederauferstandene Diva ihn schließlich vor tobendem Publikum im ausverkauften Madison Square Garden performt. Szenen wie diese finden sich in nahezu jedem Rockstar-Biopic – die Musik als ultimatives Instrument der Katharsis. Als Filmmotiv wirkt das mittlerweile allerdings umso abgegriffener. „Respect“, ab dem 25. November im Kino, greift hier stellenweise besonders beherzt zu. Kritiker*innen haben also nicht ganz Unrecht, das lang erwartete Franklin-Porträt als eine Spur zu glattgebügelt zu empfinden.

Und doch – seien wir mal ehrlich – sehnen wir uns heimlich nach genau dieser Art befriedigender Heldengeschichten. Wir wollen unsere Idole straucheln, aber niemals fallen sehen. Auch Aretha Franklins Geschichte ist im Kern nur die Neuerzählung des guten alten amerikanischen Traums. Von der Pfarrerstochter zum Superstar, trotz traumatischer Kindheit und entgegen der Ungerechtigkeit des weißen Amerikas. Als roten Faden nutzt Regisseurin Liesl Tommy, die hier ihr Spielfilmdebüt gibt, dabei ein selbst für einen Musikfilm erfreulich großzügiges Best-Of Franklins bekanntester Songs. Letztlich sind diese Biopics doch vor allem eines ­­– die Möglichkeit, sich für zweieinhalb Stunden erneut von den musikalischen Göttern verzaubern zu lassen, deren Platten unser Leben prägten.

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ROLLING-STONE-Interview mit Liesl Tommy, Marlon Wayans und Jennifer Hudson

Im ROLLING STONE-Interview machen Tommy, sowie die Hauptdarsteller*innen Jennifer Hudson und Marlon Wayans deutlich: Am Anfang dieses Films stand die absolute Ehrfurcht vor Soul-Königin Aretha Franklin. Gelegentliches abdriften in überschwängliche Rührseligkeit verzeiht man dem Film daher problemlos – auch aufgrund der durchgehend hervorragenden Darbietungen der Hauptdarsteller*innen, sowie unterstützender Hollywood-Größen wie Forest Whitaker und Mary J. Blige. Vor allem beantwortet „Respect“ aber ein für alle Mal die Frage, die sich lange Zeit niemand zu stellen traute: Wer zum Teufel hat das Zeug dazu, Aretha Franklin zu spielen?

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Royaler Generationenwechsel

Eine Hauptdarstellerin zu finden, die sowohl gesanglich als auch schauspielerisch in der Lage ist, die wohl größte Sängerin aller Zeiten zu verkörpern, klingt erstmal nahezu unmöglich. Sicher trug auch diese Schwierigkeit dazu bei, dass „Respect“ erst jetzt, nach mehr als 15 Jahren in der so genannten Produktionshölle, erscheint. Tatsächlich war es am Ende niemand geringeres als die Queen of Soul höchstpersönlich, die das Casting-Dilemma löste und nach langer Regentschaft ihr Zepter (oder eben Mikrofon) an eine eigens auserkorene Nachfolgerin weitergab.

Mitte der 2000er wurde Franklin auf die explosionsartig aufsteigende Sängerin und Schauspielerin Jennifer Hudson aufmerksam. Nachdem diese nur zwei Jahre zuvor als siebtplatzierte bei einer US-Castingshow ausgeschieden war, sicherte sie sich im Jahr 2006 mit ihrer Performance im Musicaldrama „Dreamgirls“ nicht nur den Oscar, sondern offensichtlich auch royale Aufmerksamkeit. Hudson nennt Franklin nach wie vor als eines ihrer größten Idole, wie sie im Interview bekräftigt: „Musikalisch ist sie immer schon ein wahnsinnig prägender Teil meines Lebens gewesen. Als ich mich damals für ‚American Idol‘ bewarb, war mein Audition-Song ‚Share your love with me‘ von Aretha Franklin.“

Jennifer Hudson Respect
„Dreamgirls“-Moment: In der Rolle der Queen of Soul zeigt Jennifer Hudson erneut, warum sie längst selbst zu den größten Vokalistinnen unserer Zeit gehört.

Im Mittelpunkt steht die Musik

Dass die 40-jährige US-Amerikanerin die richtige – und vielleicht einzige – Wahl für die Rolle war, zeigt sich vor allem während der ausgiebigen Gesangsszenen. Wem nicht spätestens bei Hudsons bombastischer Interpretation von Franklins Gospel-Hymne „Amazing Grace“ das Herz in tausend Teile zerspringt, der sollte sich wirklich fragen, ob er überhaupt eines besitzt. Mit diesen langen Gesangseinlagen setzt Broadway-Regisseurin Liesl Tommy bewusst auf ihre Stärken: „Ich habe vorher viele Musicals inszeniert, ich liebe Musik. Deshalb wollte ich die Geschichte so strukturieren, dass die Lieder länger zu hören sind und die Songtexte tatsächlich etwas über die Figuren verraten“, erzählt sie.

Statt die Songs wie in manch anderer Biografie halbherzig in die Handlung einzustreuen – kurz im Hintergrund angespielt und weiter geht’s – lässt die Regisseurin das Publikum ausführlich am Entstehungsprozess von Hits wie „I Never Loved a Man“, „Ain‘t No Way“ und dem Titelgebenden „Respect“ teilhaben. „Ich liebe es, zu Proben und Dinge zu kreieren“, so Tommy. „Im Film sieht man viel davon, wie an Liedern herumgefeilt wird – Aretha, die im Studio oder Zuhause an Songs arbeitet. Das ist es, was einen kreativen Menschen ausmacht. Es geht um das Entdecken.“

„Um den Triumph darzustellen, musst du auch den Kampf zeigen“

Parallel zum musikalischen Aufstieg Franklins erzählt der Film auch die persönlichere – und eigentlich interessantere – Geschichte „Res“. Insbesondere in der ersten Hälfte des Biopics werden wir Zeugen des Aufbegehrens und Ausbruchs Franklins aus dem eisernen Griff ihres Vaters (Forest Whitaker). Dieser steht als stocksteifer intellektueller Prediger zwar an der Spitze der Bürgerrechtsbewegung, dafür aber weniger oft an der Seite seiner Tochter. Die persönliche Emanzipation Franklins abzubilden, sei Tommy besonders wichtig gewesen: „Ich denke, um den Triumph einer Figur darzustellen, musst du auch deren Kämpfe zeigen. Bei Aretha geht es aber gar nicht so sehr um die schwierigen Dinge, die in ihrem Leben passiert sind, sondern darum, wie sie diese überwunden hat. Das hat mich fasziniert.

Respect Forest Whitaker Jennifer Hudson
Forest Whitaker brilliert in seiner Rolle als hölzerner Patriarch im Hause Franklin.
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Als sich Aretha schließlich aus den Händen des einen Patriarchen in die Arme des nächsten flüchtet, beginnt eine toxische Co-Abhängigkeit mit Ehemann und Manager Ted White (Marlon Wayans), durch dessen Zwiespältigkeit der Film einiges an Vielschichtigkeit gewinnt. Mit Schlafzimmerblick, schief sitzendem Fedora und astreinem Sechziger-Schnauzer versprüht White trotz höchst fragwürdiger Handlungen durchgehend genug Charme, um das Publikum wieder auf seine Seite zu ziehen.

„Ich wollte nicht nur einen missbräuchlichen Ehemann spielen, sondern einen zutiefst verletzten Menschen, der versucht, einen ebenfalls verletzten Menschen zu lieben“, erzählt Wayans über seine Herangehensweise an die Rolle. „Seine Absichten sind gut, aber irgendwo auf dem Weg schleicht sich dieser Schmerz wieder ein und nimmt überhand. Und dann sehen wir die Abwärtsspirale – während Aretha immer größer wird, wird er immer kleiner.“

Marlon Wayans Jennifer Hudson Respect
Toxische Ehe: Jennifer Hudson und Marlon Wayans als Aretha Franklin und Ted White

„Alles, was ich mache, ist politisch“

Wer sich eingehender mit dem Leben Franklins auseinandersetzt, stellt schnell fest, dass Musik und politisches Engagement für die Queen of Soul nahezu Hand in Hand gingen. In den Freiheitskampf der Schwarzen US-Bevölkerung hineingeboren, trat Franklin besonders in jungen Jahren (damals noch reine Gospel-Sängerin) oft bei Gottesdiensten im Kontext der Bürgerrechtsbewegung auf. Der Aktivistin Angela Davis bot sie einst an, deren 250.000-Dollar-Kaution zu zahlen. So ist „Respect“ folgerichtig auch eine Geschichte über den Kampf gegen Rassismus und Segregation – was schon der Titel verrät. Für die Schwarze Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King wurde Franklins Neuinterpretation des Otis-Redding-Songs zu einer Hymne des Kampfes um Gleichberechtigung.

Mit diesem Aspekt Franklins Lebens könne sich Liesl Tommy besonders identifizieren: „Ich bin in Südafrika während der Apartheid aufgewachsen – das waren prägende Jahre für mich. Alles, was ich jetzt als Erwachsene mache, ist politisch. Dasselbe galt für Aretha. Das ist so ein wichtiger Teil ihrer Geschichte, über den viele Menschen sich gar nicht im Klaren sind.“ Einige Szenen mit Gilbert Glenn Brown als Martin Luther King finden so ihren Weg in den Film, ebenso wie das bekannte Franklin-Zitat: „Du musst den Frieden stören, wenn du selbst keinen bekommen kannst.“

Jennifer Hudson Liesl Tommy Respect
Regisseurin Liesl Tommy mit Hauptdarstellerin Jennifer Hudson am Set zu „Respect“.

Fan-Service und Legendenbildung – Warum eigentlich nicht?

Sind diese wichtigen Sätze verhallt, dauert es allerdings meist keine halbe Minute, bis die nächste mitreißende Gesangsszene ansteht, die uns daran erinnert, wofür wir eigentlich hier sind: Um bei voll aufgedrehter Soundanlage ein letztes Mal der größten aller Diven zu huldigen. Regisseurin Tommy geht damit einen cleveren Mittelweg. Das Biopic setzt sich zwar durchaus mit seinen teils anspruchsvollen Themen auseinander, verliert aber nie den (zu Unrecht verschrienen) Fan-Service aus den Augen.

Zweifelsohne wird „Respect“ mit seiner schamlos emotionalisierenden Inbrunst nicht jeden überzeugen können. Diejenigen Zuschauer*innen, die sich auch von einem „Bohemian Rhapsody“ oder „Rocketman“ schon weniger Kitsch und mehr biografische Genauigkeit gewünscht hätten, werden auch hier nur bedingt abgeholt. In der Breite aber trifft dieses Aretha-Franklin-Tribut den Nagel auf den Kopf und schafft eine kurzweilige (aber nicht oberflächliche) Erinnerung an das Leben und Wirken der Queen of Soul, bei der die wenigsten Zuschauer*innen ungerührt bleiben dürften.

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