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Nahe Gedächtniskirche Eine Tote und mehrere Verletzte in Berlin – Innensenatorin: Kein "richtiges Bekennerschreiben" gefunden

Berlin-Breitscheideplatz: Fahrzeug fährt in Menschenmenge – ein Toter
Sehen Sie im Video: Fahrzeug fährt am Berliner Breitscheidplatz in Menschenmenge – ein Toter und mehrere Verletzte.
Videoquelle: RTL.de

Schock in der Berliner Innenstadt: Ein Auto fährt in eine Personengruppe. Eine Frau stirbt. Es gibt mehrere Verletzte, einige davon sind im kritischen Zustand. Die Hintergründe sind noch unklar. Die Behörden ermitteln "unter Hochdruck". 

Dieser Artikel wird laufend aktualisiert.

Bei einem tödlichen Zwischenfall mit einem Auto ist ein 29-Jähriger am Mittwoch in Berlin auf einem Bürgersteig gefahren und hat zahlreiche Angehörige einer Schulklasse aus Hessen erfasst. Eine Lehrerin starb, ein weiterer Lehrer sowie mehrere Jugendliche wurden schwer verletzt, wie die Regierungen in Berlin und Wiesbaden mitteilten. Der Fahrer wurde in Gewahrsam genommen, die Hintergründe des Geschehens am Kurfürstendamm waren noch unklar.

Bekennerschreiben im Wagen des Fahrers gefunden?

Wenige Stunden nach dem tödlichen Vorfall am Vormittag wird der genaue Ablauf klarer: Wie die Polizei mitteilte, fuhr der Mann gegen 10.26 Uhr seinen Renault-Kleinwagen an der Straßenecke Ku'damm und Rankestraße auf den Bürgersteig des Ku'damms und in eine Menschengruppe. Dann fuhr er den Angaben zufolge zurück auf die Kreuzung und knapp 200 Meter weiter auf der Tauentzienstraße Richtung Osten. Kurz vor der Ecke Marburger Straße lenkte er den Wagen erneut von der Straße auf den Bürgersteig, touchierte ein anderes Auto, überquerte die Marburger Straße und landete im Schaufenster eines Parfümerie-Geschäfts mit der Adresse Tauentzienstraße 16.

Nahe Gedächtniskirche: Eine Tote und mehrere Verletzte in Berlin – Innensenatorin: Kein "richtiges Bekennerschreiben" gefunden

Berliner Polizei: "Fahrer wurde festgenommen."

01:26 min

Die Polizei hat nach DPA-Informationen in dem Wagen ein Schreiben gefunden. Über den Inhalt wurde zunächst nichts bekannt. Zuvor hatte die "Bild"-Zeitung berichtet. Laut der Zeitung soll das Motiv des Fahrers nicht politisch gewesen sein. Die "Bild" zitierte einen Ermittler: "Auf keinen Fall ein Unfall – ein Amokläufer, ein eiskalter Killer." Eine Polizeisprecherin bestätigte das zunächst nicht. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat Meldungen über ein im Fahrzeug entdecktes Bekennerschreiben allerdings zurückgewiesen, wie die Nachrichtenagentur AFP meldet.

"Ein richtiges Bekennerschreiben gibt es nicht", sagte sie nach einem Besuch am Ort des Geschehens. In dem Auto seien jedoch Plakate mit Äußerungen "über die Türkei" entdeckt worden. Zu weiteren Einzelheiten machte die Innensenatorin zunächst keine Angaben. Der Täter war nach DPA-Informationen mit einem Auto unterwegs, das seiner älteren Schwester gehört. Er soll der Polizei bereits bekannt gewesen sein, allerdings nicht in Zusammenhang mit Extremismus.

"Wir müssen in alle Richtungen ermitteln", betonte Spranger. Das können Stunden oder Tage dauern. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), die mit der Senatorin die Einsatzstelle besuchte und dort anschließend mit Journalisten sprach, warnte vor Spekulationen. Die Berliner Polizei werde "seriös ermitteln" und alle Erkenntnisse umgehend veröffentlichen. Es sei noch nicht genau bekannt, welche Motivation hinter dem Vorfall stehe, betonte sie. "Es wird in allen Richtungen ermittelt."

Berlin: Fahrer des Autos von Polizei festgenommen

Die Gegend, in der sich der tödliche Vorfall ereignete, ist wegen der vielen Geschäfte, Cafés und Sehenswürdigkeiten oft sehr belebt. Sie ist ein Anziehungspunkt für Touristen aus dem In- und Ausland. In der Nähe befinden sich zum Beispiel der Zoologische Garten, der Bahnhof Zoo und das Kaufhaus des Westens (KaDeWe).

60 Einsatzkräften der Feuerwehr waren vor Ort, teilte die Berliner Feuerwehr mit. Der Fahrer sei zunächst von Passanten festgehalten worden. Bei ihm handele es sich um einen 29-jährigen Berliner, gab die Polizei am Mittag bekannt. Weitere Details nannte sie nicht. Der Mann werde vernommen und es werde geprüft, ob es sich um eine vorsätzliche Tat oder einen Verkehrsunfall handle, oder ob auch ein medizinischer Notfall in Betracht komme. 

Cablitz sagte am Mittag: "Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt nicht, ob es sich um eine Vorsatztat oder einen Verkehrsunfall handelt." Indikatoren, die für eine Vorsatztat sprechen würden, würden nun unter anderem abgeglichen mit der Spurenlage und Zeugenaussagen, sagte Cablitz. "Ich möchte mich aber nicht auf Spekulationen einlassen", sagte er mit Blick auf die Entfernung zwischen den beiden Unfallstellen. Cablitz erinnerte dabei auch an den schweren Unfall in der Invalidenstraße in Berlin vor einigen Jahren. Dort hatte sich 2019 ein großes Fahrzeug überschlagen und vier Menschen auf dem Gehweg getötet. Der Fahrer war trotz einer Epilepsie-Erkrankung und einer Gehirnoperation einen Monat vor dem Unfall Auto gefahren.

Laut Feuerwehr lief vor Ort zunächst die Versorgung der Verletzten, die Polizei sprach von einem größeren Einsatz. Die Polizei hat das Areal großflächig abgesperrt. Es waren mehrere Krankenwagen und Polizeiautos vor Ort, wie eine Reporterin der Nachrichtenagentur DPA berichtete. Nach Polizei-Angaben waren zwischenzeitlich 130 Einsatzkräfte vor Ort. Auch ein Polizeihubschrauber war im Einsatz. Damit wollen sich die Ermittler ein Gesamtbild von der Lage vor Ort machen, so ein Polizeisprecher. Auch ein Rettungshubschrauber war zu sehen. Nahe der Straßenecke Kurfürstendamm, Rankestraße und Tauentzienstraße lag nach dem Vorfall eine abgedeckte Leiche.

Der Kleinwagen war in ein Geschäft gerast
Der Kleinwagen war in ein Geschäft gerast
© Odd ANDERSEN / AFP

Auf einem Foto, das im Internet gepostet wurde, ist ein silberfarbener Renault Clio zu sehen, der im Schaufenster eines Geschäfts steht. Eine Sprecherin der Parfümerie-Kette Douglas bestätigte die Echtheit des Fotos. Es habe im Geschäft keine Verletzten gegeben.

Zwei Stunden nach dem tödlichen Vorfall hat sich Polizeipräsidentin Barbara Slowik vor Ort einen Eindruck von dem Geschehen gemacht. Slowik sprach am Ku'damm mit Polizisten und ließ sich den Ablauf schildern. Sie ging dann die 200 Meter lange Strecke bis zu dem Geschäft, in das der Wagen gefahren war. 

Die Berliner Polizei bittet Zeuginnen und Zeugen, Hinweise, Fotos oder Videos an ein Hinweisportal zu übersenden.  

Die Polizei bittet darum, keine Aufnahmen vom Ereignisort im Internet zu verbreiten.

Ein Team der Notfallseelsorge war ebenfalls vor Ort. Pfarrer Justus Münster, Beauftragter der evangelischen Landeskirche für die Berliner Notfallseelsorge, sagte der Deutschen Presse-Agentur, es seien elf Seelsorgerinnen und Seelsorger im Einsatz. Nach seinen Angaben war auch der Koordinator für die Notfallseelsorge im Erzbistum Berlin, Bruder Norbert Verse, dabei.

Ein Sprecher der Feuerwehr sagte der DPA vor Ort, an der Gedächtniskirche sei eine Stelle für die psychosoziale Notfallversorgung von Zeuginnen und Zeugen eingerichtet worden. Auch ein Informationstelefon für Angehörige wurde freigeschaltet: 030 - 84854460.

Innensenatorin: "Ich bin schockiert"

Berlins Innensenatorin Spranger hat sich schockiert über den Vorfall mit einem Toten und mehreren Verletzten in der Nähe der Gedächtniskirche gezeigt. "Ich bin in der Lagezentrale und informiere mich laufend. Meine Gedanken und mein tiefes Mitgefühl sind bei allen Betroffenen!", twitterte Spranger am Mittwoch. "Ich bin schockiert über den Vorfall in Charlottenburg."

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat den Betroffenen Unterstützung zugesagt. "Wir werden alles dafür tun, den Betroffenen zu helfen", sagte Giffey. Ebenso werde alles dafür getan, den Hergang aufzuklären. "Wir wissen, dass wir eine Tote und zehn Schwerverletzte haben." "Ich bin tief betroffen von diesem schlimmen Ereignis heute Vormittag", so Giffey weiter. Sie wollte sich am Nachmittag auch ein Bild von der Lage vor Ort machen. "Jetzt ist es erstmal wichtig, dass die Verletzten versorgt werden." Zudem brauchten die Angehörigen, die unter Schock stünden, Hilfe und Beistand. Giffey dankte den Einsatzkräften.

Aufklärung laufe "unter Hochdruck"

Auch die Bundesregierung drückte ihr Mitgefühl aus. Sie sei "sehr betroffen und erschüttert", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Die Gedanken und das Mitgefühl seien bei den Verletzten und ihren Angehörigen.

Nach Angaben eines Sprechers des Bundesinnenministeriums in Berlin standen die Sicherheitsbehörden des Bundes und des Landes Berlin wegen der Vorfalls im engen Austausch. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe bereits mehrmals mit ihrer Berliner Amtskollegin Spranger gesprochen, sagte er am Mittwoch in Berlin vor Journalisten. Es sei allerdings noch zu früh, über Hintergründe "zu spekulieren". Die Aufklärung laufe "unter Hochdruck".

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich bestürzt geäußert. "Meine Gedanken sind bei den schwer und sehr schwer Verletzten, bei dem Todesopfer", erklärte er. "Und sie sind bei denen, die Schreckliches erleben mussten. Mein tiefes Mitgefühl gilt ihnen, allen Angehörigen und Hinterbliebenen."

An der Gedächtniskirche war im Dezember 2016 ein islamistischer Attentäter in einen Weihnachtsmarkt gefahren. Damals starben 13 Menschen, mehr als 70 wurden verletzt. Darauf angesprochen sagte Giffey: "Es ist eine Situation, wo man denkt: Um Gottes willen, nicht schon wieder! Ob das jetzt ein Zufall war, der Ort, ob das ein bewusst gewählter Ort war, das wissen wir alles noch nicht."

rw / wue DPA AFP

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