"Der beste Film aller Zeiten" im Kino:Ab in den Schredder

"Der beste Film aller Zeiten" im Kino: Antonio Banderas und Penélope Cruz sollen zusammen den besten Film aller Zeiten drehen, malträtieren einander aber nur mit ihrer Egozentrik.

Antonio Banderas und Penélope Cruz sollen zusammen den besten Film aller Zeiten drehen, malträtieren einander aber nur mit ihrer Egozentrik.

(Foto: AP)

Gewichtslos und falsch: "Der beste Film aller Zeiten" mit Penélope Cruz und Antonio Banderas zeigt, dass die Satire zum unpolitischsten Filmgenre überhaupt geworden ist.

Von Philipp Stadelmaier

Um das Dilemma von "Der beste Film aller Zeiten" zu beschreiben, beginnt man am besten mit einem Felsbrocken. Den hängt die exzentrische Autorenfilmerin bei den Proben zu ihrem vermeintlichen Meister(innen)werk an einem Kran auf und lässt dann ihre beiden nicht weniger exzentrischen Schauspielstars darunter Platz nehmen, die einander ebenso hassen wie die Brüder, die sie in ihrem Film verkörpern sollen.

Der Brocken knirscht, eine Katastrophe bahnt sich an, doch nichts passiert. Der Brocken soll sinngemäß die Macht des Schicksals darstellen, die auf den Brüdern lastet. Später tragen ihn zwei Arbeiter problemlos davon. Das Ding war aus Pappmaché.

Das Problem, das damit bezeichnet sein soll, ist folgendes: Die Satire des argentinischen Regie-Duos Gastón Duprat und Mariano Cohn fühlt sich genauso gewichtslos, pappig und falsch an wie diese Attrappe.

Ausgangspunkt der Klamotte ist der Wunsch eines Milliardärs, der Welt etwas Bleibendes zu hinterlassen, um sich in ihrem Gedächtnis zu verewigen. Zum Beispiel "eine Brücke", oder eben "den besten Film aller Zeiten". Dafür kauft er die Rechte an einem berühmten Roman und engagiert eine berühmte Regisseurin, gespielt von Penélope Cruz, einen Kino-Superstar (Antonio Banderas), sowie einen großen Theaterschauspieler (Oscar Martínez). Die drei ziehen sich in die leeren Hallen einer Stiftung zurück, die der Finanzier zur Verfügung gestellt hat, für die Proben.

Der Film trägt im Original den weniger albernen Titel "Competencia oficial" (Offizieller Wettbewerb), lief auf den letztjährigen Filmfestspielen in Venedig und endet damit, dass der Film im Film auf einem Festival gezeigt wird. Ein ultra-selbstbezügliches Werk, das sich im Narzissmus seiner Hauptfiguren suhlt, reduziert auf alberne Klischees. Der Star kommt im Lamborghini an, ist ein Frauenheld und hat eine Horde von Extrawünschen, die überanspruchsvolle Künstlerin mit wilder Haarpracht und Designerbrillen unterbricht bei der Textprobe schon nach dem ersten "Guten Morgen!" ("Nochmal." - "Guten Morgen." - "Nochmal."), der kunstbewusste Theatermime sitzt abends beim Rotwein mit seiner kinderbuchschreibenden Frau auf dem Sofa und hört verquälte Avantgarde-Quatschmusik. Letztlich geht es darum, wie eine superegomanische lesbische Filmemacherin zwei superegomanische Alphamännchen dressiert: In einer Szene wickelt sie die beiden Männer in Plastik ein, um vor deren Augen deren gesammelte Filmpreise zu zerschreddern.

Man denkt bei dieser Satire auf die Filmbranche und ihre Protagonisten an den schwedischen Filmemacher Ruben Östlund, der in Cannes mittlerweile eine Goldene Palme nach der anderen für seine Abrechnungen mit Kunstmenschen und Instagram-Stars gewinnt. Diese Filme verkaufen ihrem Publikum, was es schon kennt: die Gewissheit, dass die Privilegierten Arschlöcher sind. Sie verkaufen ihm also verachtenswerten Mist, sowie die Gewissheit, dass dieser Mist nicht bekämpft werden, man ihn aber immerhin verachten kann. Möglicherweise ist die Satire damit zum unpolitischsten, pseudo-kritischsten und konformistischsten Filmgenre überhaupt geworden.

Um mit wirklichem Biss und Witz die gegenwärtige Medienwelt zu attackieren, ist der Film zu lahm, mehr heiße Luft als schwerer Felsbrocken, der alles zu zermalmen droht. Einmal liegt Penélope Cruz am Boden, in einen Staubsaugerschlauch sprechend, den sie sich ans Ohr hält, um ihre eigene Stimme zu hören. In einer anderen Szene wackelt sie mit dem Hintern in ihrem Zimmer herum, wie in einem Tiktok-Video. Wozu? Unverbunden und lustlos stehen die Szenen nebeneinander, wie halbbewusst durchgescrollte Clips in Sozialen Medien.

Als würde nebenan ein schwarzes Loch lauern, das jegliche Erinnerung absorbiert

So jagen Duprat und Cohn das Kino durch den Schredder, jedenfalls solange man das Kino noch als Kunstform versteht, die ein Fenster zur Welt ist. Ihr Film zieht sich (wie auch Östlunds auf einer Yacht spielender Film) aus der Welt zurück, in die leere Bubble einer Luxusarchitektur, die sich auf nichts Äußeres mehr öffnet (das wäre politisch gewesen). Es gibt außerdem in diesem "Besten Film aller Zeiten" keine einzige filmgeschichtliche Referenz (außer ein paar erfundenen, also falschen Titeln). Klar: Der Beste Film aller Zeiten darf keine Konkurrenz haben, das Projekt der Autorenfilmerin spielt sich in einer geschichtslosen Leere ab, die der Leere der großen Hallen der Stiftung entspricht. Die sind schick und arty, aber niemand weiß mehr, wozu sie einmal gebaut wurden.

Es gibt keine bessere Metapher für den Zustand des Kinos, den dieser Film propagiert und in dem er sich traurigerweise einrichtet, ohne ihm etwas entgegenzusetzen: Das Kino und seine Geschichte sind ebenso nutz- und sinnlos, ebenso entleert wie dieser ganze Ort, der an ein Raumschiff erinnert. Als würde nebenan ein schwarzes Loch lauern, das jegliche Erinnerung absorbiert, an die Filmgeschichte ebenso wie an die vorangegangenen Szenen. So wiederholt der Film ad infinitum die Amnesie einer Aufmerksamkeitsökonomie, in der jeder Moment sich für den "besten" ausgibt, um sofort wieder vergessen und durch den nächst-besten ersetzt zu werden. Kino und Kunst werden degradiert zu bloßen Fassaden des Kapitalismus, gefangen in einer endlosen, zynischen Selbstbespiegelung.

Willkommen also im Jahr 2022, in einer im Selbsthass versinkenden Kunstform, der es einmal darum ging, Bilder zu schaffen, die im Gedächtnis bleiben, Erinnerungen zu produzieren, an die angeknüpft werden kann, von Machern, Zuschauerinnen, Cinephilen. Wenn wir das Kino noch brauchen, dann, um wirklich Bleibendes zu schaffen. Andernfalls, liebe Menschen mit zu viel Geld, die ihr euch überlegt, Filme zu finanzieren, baut lieber Brücken.

Competencia oficial - Spanien, Argentinien 2021. Regie: Mariano Cohn, Gastón Duprat. Buch: Cohn, Duprat, Andrés Duprat. Kamera: Arnau Valls Colomer. Mit Penélope Cruz, Antonio Banderas, Oscar Martínez. Studiocanal, 114 Min.

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