"Focus" in der SZ-Cinemathek:Goodbye, Scherzkeks!

Kinostart - Focus

Gefährlich schönes Mädchen und melancholischer Gangster: Margot Robbie und Will Smith in "Focus".

(Foto: Frank Masi/dpa)

Kann sich der ehemalige "Fresh Prince" Will Smith nach einem Jahrzehnt schlechter Filme mit der Gaunerkomödie "Focus" neu erfinden?

Von David Steinitz

Auf wirklich gar keinen Fall wollte Will Smith sich in Hollywood, Kalifornien, aufhalten, während die ersten Besucherzahlen zu seinem neuen Film "Focus" eintrafen. So erzählte er es dem Magazin Variety. Denn diese ersten Zahlen sagen meist schon alles über das weitere kommerzielle Schicksal eines Films. Und Will Smith, der ehemalige "Fresh Prince", der ehemalige "Man in Black", der ehemalige "Bad Boy" ist zwar ein wildes, überdrehtes Jahrzehnt lang ein Glückskind des Boxoffice gewesen. Aber die Freude auf den Anruf mit den ersten Zahlen ist ihm längst vergangen, seit die Liste seiner Totalausfälle immer länger wurde.

Smith hat in den vergangenen zehn Jahren ein paar wirklich saublöde Filme gedreht, in denen er auch noch unbedingt seine schauspielerisch mäßig talentierten Söhne unterbringen musste. Komödien, die nicht lustig waren, Dramen, die unfreiwillig komisch wurden. Und zuletzt noch ein Science-Fiction-Dingsbums namens "After Earth", das dem Sony-Studio eine ganze Jahresbilanz versaute.

Nun also "Focus" und die Frage: Kann Will Smith, der mit seinen 46 Jahren deutlich zu alt für den "Fresh Prince" und deutlich zu jung für die Rente ist, sich noch einmal neu erfinden? Ohne die alte Gaudi-Rap-Nummer aus den Neunzigern, ohne seine Söhne, ohne falsches Pathos? Die Antwort lautet, im Sprachduktus seiner neuen Rolle, des Edelgauners Nicky: Yep.

Sonnyboy mit Scherzkeksdasein

Nicky reist durch die Welt, von Großevent zu Großevent, und zieht den Leuten ihr Geld, ihren Schmuck, ihre Kreditkarten aus der Tasche. Zu Beginn des Films ist er mit seinem Diebesteam beim Super Bowl in New Orleans im Großeinsatz. Während die Kollegen draußen an der Würstchenbude die Fans ausnehmen, konzentriert Nicky sich drinnen, in der sterilen Welt der VIP-Lounges, auf die großen Fische.

Der Trick ist immer derselbe: "A game of focus", sagt er, eine Frage des Blickfelds: Tippst du jemandem auf die linke Schulter, wird er für eine Sekunde nicht darauf achten, was du an seiner rechten Hosentasche machst. Übertragen auf noch frechere, größere Ablenkungsmanöver lassen sich so problemlos Millionen einsacken. Nicky macht es bei einem irren Wettspiel mit einem reichen Asiaten vor.

Nur: glücklich ist er nicht. Nach außen gibt er in schicken In-Restaurants und überverglasten Edel-Bars den lustigen, charmanten Kerl - aber eigentlich hat er längst die Freude am Leben verloren. Der Adrenalin-Kick, den sein Job mit sich bringt, wird immer kleiner und kürzer. Richtig anvertrauen will er sich in seiner Melancholie niemandem, er kann nicht einmal mehr einen Flirt richtig genießen - überhaupt, mit den Mädchen hat er abgeschlossen. Die perfekte Rolle für Will Smith also, der Nicky famos melancholisch als gequälten Sonnyboy spielt, in dessen Scherzkeksdasein sich eine unheimliche Müdigkeit mischt. Die Augen leuchten nicht, wenn er lacht, die Mundwinkel bekommt er höchstens auf halbmast.

Auftritt Jess, ein gefährlich schönes Mädchen, das beim Klaumeister in die Lehre gehen will. Jess-Darstellerin Margot Robbie, die ihren großen Durchbruch in "The Wolf of Wall Street" hatte, schafft es allein mit ihrer rauchigen Stimme, sich einem Mann gleichzeitig als Versprechen und als Fluch anzukündigen.

So stilsicher und elegant kann es gehen in Hollywood

Also wird die Gaunerfarce zur Beziehungsfarce, denn wenn zwei Trickbetrüger sich verlieben, geht das nur mit vielen Tricksereien, die zu jeder Menge emotionaler Kollateralschäden führen. Dass dieser nicht gerade neue dramaturgische Versuchsaufbau nicht zur x-Mal gesehenen Nummernrevue verkommt, liegt am "Focus"-Regieduo Glenn Ficarra und John Requa. Die beiden haben das wirklich schwerlich durchgenudelte Genre der romantischen Komödie bereits mit ihrem wunderbaren Film "Crazy, Stupid, Love" von 2011 neu belebt. Auch in "Focus" haben sie immer dann, wenn man das Klischee schon um die Ecke biegen sieht, immer noch einen neuen Kniff, eine neue Überraschung bereit. So stilsicher und elegant kann es gehen in Hollywood - vor allem mit einem originären Stoff, jenseits der Superhelden- und Fortsetzungsepidemie.

Das ist der künstlerische Aspekt - der ökonomische sieht anders aus: wie mittlerweile auch Will Smith zu Ohren gekommen sein dürfte, hat der Film zwar mit Ach und Krach "Fifty Shades of Grey" von der Spitze der US-Kinocharts gekickt. Aber das vorläufige Einspielergebnis von 19 Millionen Dollar liegt weit hinter den Erwartungen - vom Dollarregen alter Smith-Klassiker ganz zu schweigen. Der nächste Karriereschritt ist also, leider: Superheldenfilme und Fortsetzungen. Demnächst ist Will Smith im Comic-Blockbuster "Suicide Squad" zu sehen, dann folgt "Bad Boys 3".

Focus , USA 2014 - Regie, Buch: Glenn Ficarra, John Requa. Kamera: Xavier Grobet. Mit: Will Smith, Margot Robbie, Adrian Martinez. Warner, 105 Minuten.

Diese Kritik ist zuerst am 5. März 2015 in der SZ erschienen.

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