Ausstellung von Thomas Kretschmann:"Im Endeffekt geht es um Erinnerungen"

Big Muse II - Pressebild zur Ausstellung Thomas Kretschmann: MUSE (1.10. - 31.12.2021)

Die Lichtbrechung sorgt für einen malerischen Effekt auf dem Körper im Wasser.

(Foto: Thomas Kretschmann)

In Hollywood-Filmen stellt der deutsche Schauspieler Thomas Kretschmann oft coole Charaktere dar. Als Fotograf überrascht er mit sehr poetischen Aufnahmen seiner Lebensgefährtin und Muse Brittany Rice.

Von Evelyn Vogel

Alles fließt, scheint in Bewegung, kaum etwas wirkt statisch in den Aufnahmen der Serie "Muse" von Thomas Kretschmann. Die Figur, das Kleid, das Wasser, die Luftblasen, das Sonnenlicht - es scheint beinahe ein Tanz der Elemente zu sein, eingefangen in einem Moment und doch nicht eingefroren. Festgehalten und doch frei und schwebend.

Thomas Kretschmann, deutscher, in Los Angeles lebender Schauspieler, fotografiert seit etwas zehn Jahren: privat, während der Arbeit am Set, bei Freunden. Anlässlich seiner ersten Einzelausstellung, die in der Leica Galerie in München zu sehen ist, erzählt er, dass er inzwischen so ziemlich überall seine Kamera dabei habe, um zu fotografieren. So sind auch Porträts berühmter Kollegen entstanden. Und gewiss hätte ein entsprechendes Namedropping für noch mehr Publicity gesorgt. Doch in letzter Minute entschloss er sich, diese Starporträts nicht zu zeigen. Stattdessen konzentriert er sich ganz auf die Unterwasserserie "Muse", in der er seiner Lebensgefährtin, dem Modell Brittany Rice, mit der Kamera bei ihrem Tanz unter Wasser folgt.

Big Muse II - Pressebild zur Ausstellung Thomas Kretschmann: MUSE (1.10. - 31.12.2021)

Aus der Serie "Muse" von Thomas Kretschmann.

(Foto: Thomas Kretschmann)

Diese Konzentration tut der Ausstellung tatsächlich gut, auch wenn es an der einen oder anderen Stelle repetitiv wirkt. Aber die Fokussierung ist ihm wichtig: "Es wäre Quatsch und oberflächlich, das hier mit etwas anderem zu vermischen", betont er, während er den Blick zufrieden über die Ausstellung schweifen lässt. Hier kommt auf recht poetische Art und Weise zum Ausdruck, dass Kretschmann die Fotografie eben nicht als Standbild begreift, sondern eher filmisch, als eine Abfolge von Bildern. Diese Wirkung erzielt er umso mehr, wo er die konkrete Gestalt zugunsten von Details hintan stellt oder die Figur in starker Bewegung einfängt, so dass der Fluss des Kleides, die Bewegung der Wellen und das Aufsteigen der Luftblasen die Bildkomposition bestimmt.

Ausgangspunkt der Serie war nicht allein die Idee der schwimmenden Gestalt, sondern vielmehr, wie das weiße Kleidchen im Wasser die Figur umspielt und umfließt. "Im Endeffekt geht es um Erinnerungen", erzählt er, während er vor seinem Lieblingsmotiv mit dem Titel "Muse II" steht. Es gehe "um Licht und Schatten und um Reflexionen - das alles verwebt sich zu einem Bild". Dass dabei Unschärfen entstehen, einiges wie durch einen Filter und sehr malerisch wirkt, ist beabsichtigt. "In manchen dieser Fotos verschmilzt Fotografie und Malerei, es gibt immer wieder neue Details zu entdecken." Das sei es auch, was ihn interessiere. "Hier und da finde ich Parallelen zu Egon Schiele, zur Kirchenmalerei, zu Da Vinci und zum japanischen Scherenschnitt. Wir tauchen in ein Meer von Farben ein; der Raum ist dunkel und scheint unendlich."

Big Muse II - Pressebild zur Ausstellung Thomas Kretschmann: MUSE (1.10. - 31.12.2021)

Aus der Serie "Muse" von Thomas Kretschmann.

(Foto: Thomas Kretschmann)

In dieser Unendlichkeit des Wassers war Kretschmann einst ganz zu Hause. Der in Dessau geborene Schauspieler und Fotograf war in seiner Jugend Leistungsschwimmer, gehört dem Olympiakader der DDR an und gewann mehrere Meistertitel. 1983 floh er im Alter von 21 Jahren aus der DDR ganz alleine über Ungarn, Jugoslawien und Österreich in die BRD. Über diese Flucht äußert er mittlerweile nur noch selten. Doch vor drei Jahren sprach er mit der SZ darüber anlässlich des Filmstarts der deutsch-deutschen Fluchtgeschichte "Ballon" von Michael Herbig, in der er einen Stasi-Agenten verkörperte. Auch in der Talkshow "3 nach 9". Die sehr emotionale Sequenz ist heute noch auf Youtube zu sehen. In Berlin absolvierte Kretschmann eine Schauspielausbildung und stand schon bald vor der Kamera. Für sein Filmdebüt in "Der Mitwisser" wurde er 1991 beim Max Ophüls Filmfest als bester Nachwuchsdarsteller ausgezeichnet. Und nachdem er neben Adrien Brody in Polanskis "Der Pianist" gespielt hatte, war auch Hollywood auf ihn aufmerksam geworden.

Es folgten zahlreiche Filmrollen in Hollywood, in deutschen wie internationalen Produktionen und einigen Fernsehserien. Er war in "Der Untergang" von Oliver Hirschbiegel ebenso zu sehen wie in Bryan Singers "Operation Walküre - Das Stauffenberg-Attentat", wo er zeitweilig sogar für die Hauptrolle gehandelt wurde (die dann Tom Cruise bekam). Aktuell steht er bei einer Filmproduktion in Estland vor der Kamera und hat vor zwei Monaten "Indiana Jones 5" mit Harrison Ford abgedreht - wo er natürlich auch ziemlich viel fotografiert hat, wie er beim Treffen in München verrät. Allerdings seien die Aufnahmen derzeit unter Verschluss, bis der Film voraussichtlich in die Kinos komme.

Ausstellung von Thomas Kretschmann: In der Serie "Muse" hat der Fotograf und Schauspieler Thomas Kretschmann seine langjährige Partnerin und Muse Brittany Rice in einem mehrteiligen Unterwasserzyklus abgelichtet. Zur Eröffnung der Ausstellung in der Leica Galerie kamen beide nach München.

In der Serie "Muse" hat der Fotograf und Schauspieler Thomas Kretschmann seine langjährige Partnerin und Muse Brittany Rice in einem mehrteiligen Unterwasserzyklus abgelichtet. Zur Eröffnung der Ausstellung in der Leica Galerie kamen beide nach München.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Seit 25 Jahren lebt Kretschmann in Los Angeles, mag es aber auch, einen Teil des Jahres in Berlin zu verbringen. Mit Brittany Rice ist Kretschmann seit mittlerweile zehn Jahren zusammen. Auch sie war einst Schwimmerin, teilt Kretschmanns Liebe zum Wasser also, weshalb sich beide in dem Element "wie zu Hause fühlen". Dennoch hat Kretschmann nicht unter Wasser fotografiert, sondern von außerhalb. Die meisten Aufnahmen sind im heimischen Pool in Los Angeles entstanden. So viel in Bewegung Kretschmanns Muse Brittany Rice bei den meisten Aufnahmen ist, es gibt auch welche, in denen sie zart und wächsern wie die tote Ophelia im Nichts zu treiben scheint. Doch von einer Todessehnsucht als Metapher will Kretschmann nichts wissen. "Eine Todessehnsucht gibt es bei mir überhaupt nicht, aber ich finde es toll, wenn jeder andere Assoziationen zu meinen Bildern findet. Das ist mir viel lieber, als ihm eine Idee aufzudrücken."

Thomas Kretschmann: Muse, Leica Galerie, Maffeistr. 4, bis 31. Dezember

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