Fernsehkrimi:Tatort mit Traumtätern

Tatort: Dreams

Das war einmal ein Flügel: Ivo Batic (Miroslav Nemec, links) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) in einer Szene aus dem Münchner Tatort "Dreams".

(Foto: Hendrik Heiden/dpa)

Das Münchner Rundfunkorchester spielt neben den Ermittlern Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec die erste Geige

Von Klaus Kalchschmid, München

Schon bald ist Franz Leitmayr alias Udo Wachtveitl ratlos: "Der merkwürdigste Fall seit - wie lange kennen wir uns jetzt?" fragt er seinen Kollegen Ivo Batic im neuen Münchner Tatort "Dreams". Er wird am Sonntag, 7. November, um 20.15 Uhr in der ARD ausgestrahlt. Und Miroslav Nemec antwortet: "Seit 30 Jahren?!?"

Ihr 87. Fall handelt von kaum aushaltbaren Spannungen und dem Konkurrenzdruck beim Vorspiel für die begehrte Konzertmeister-Stelle bei einem der großen Orchester der Welt. Und von der mörderischen Attacke einer Geigerin auf eine andere. Aber war das Ganze vielleicht nur ein Traum, eine "Traumtat"? Es gibt keine Leiche, und die Verdächtige arbeitet zur Leistungsoptimierung im Schlaflabor an der Steuerung ihrer "luziden Träume", um "neue Bereiche der Virtuosität auszuloten".

Gedreht wurde im März: Die Abstände zwischen den Musikern sind heute schon historisch

Der Film war im März abgedreht, wie man an einer Szene sehen kann, die das Probespiel in der Philharmonie am Gasteig zeigt, die immer wieder von außen wie innen prominent ins Bild gesetzt wird. Es spielt das Münchner Rundfunkorchester unter seinem Chefdirigenten Ivan Repušić. Da bemerkt man Abstände zwischen den Musikern, wie sie heute schon historisch sind. Im Juli folgten im Studio 1 des BR die Aufnahmen für die Musik, ebenfalls mit jeder Menge Abstand, Trennscheiben und separaten Mikrofonen. Weil Repušić da keine Zeit hatte, übernahm Andreas Kowalewitz. Er war lange Zeit famoser, universell einsetzbarer Kapellmeister und Arrangeur am Gärtnerplatztheater. Jetzt ist er freiberuflich tätig, nicht zuletzt, um solche Dinge machen zu können wie den Tatort.

Großen Spaß hatten sowohl er wie das mit Filmmusik erfahrene Münchner Rundfunkorchester bei der Einspielung. Noch vor der Ausstrahlung des Films gibt es beim BR-eigenen Label schon den Soundtrack. Die symphonische, für einen Tatort erstaunlich gewichtige Musik stammt vom 35-jährigen Münchner David Reichelt. Zuletzt wurde er 2019 mit dem deutschen Filmmusikpreis für die Mini-Serie "8 Tage" ausgezeichnet. Er fasst das Paralleluniversum zwischen Traum und Wirklichkeit in suggestive Töne, vor allem dann, wenn nicht geredet wird und man etwa mit den Bildern den Gedanken der Kommissare folgt: In der Wohnung der vermeintlichen Täterin suchen sie nach Hinweisen, und ihr Blick bleibt an allerlei Gegenständen hängen. Oder die Musik begleitet das Verhör im Schlaflabor, wie es in die Probespiel-Szene übergeht. Auch da spürt sie der Ambivalenz von Traum und Realität nach. Schauspielerin Jara Bihler mimt und spielt fingersatzgenau, während man Elena Soltan als Geigerin hört.

Nicht zuletzt dank der Hygieneregeln und entsprechender Abstände war Kowalewitz immer wieder auf die unbestechlichen Ohren der Tonmeisterin Clémence Fabre angewiesen, von der er in den höchsten Tönen schwärmt. Viel Raum für Interpretation blieb nicht, denn mit Klick im Ohr musste die Musik sekundengenau zu den fertigen Bildern aufgenommen werden. Und doch klingt alles atmosphärisch dicht und farbig. Am Ende hallt ein Satz von Assistent Kalli (Ferdinand Hofer) nach: "Das Stresslevel eines Orchestermusikers ist genauso hoch wie das eines Formel-Eins-Piloten."

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