Affäre um WM 2006:Ein großes, dunkles Geheimnis

Affäre um WM 2006: Franz Beckenbauer (links) und Mohamed bin Hammam bei einem Fifa-Kongress 2009.

Franz Beckenbauer (links) und Mohamed bin Hammam bei einem Fifa-Kongress 2009.

(Foto: Ulmer/Imago)

Ein Verfahren zur WM 2006 wird eingestellt. Es ist das Ende eines Justizversagens - und ändert nichts daran, dass das sogenannte Sommermärchen befleckt bleibt.

Kommentar von Johannes Aumüller

Stolze sieben Jahre ist der Sommermärchen-Skandal inzwischen alt. Im Herbst 2015 flogen dubiose Zahlungen rund um die Fußball-WM 2006 auf, gleich zwei Strafbehörden machten sich ans Werk: die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelte wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung, die Bundesanwaltschaft Bern wegen des Verdachts auf Betrug.

Nach sieben Jahren ist die Bilanz ernüchternd. Das Verfahren in der Schweiz ist längst verjährt und versandet, und das in Frankfurt hat das Landgericht nun aus formalen Gründen eingestellt. Zwar geht die Staatsanwaltschaft dagegen vor, aber die Erfolgsaussichten dürften überschaubar sein.

Damit bleibt das Sommermärchen wohl ein großes, dunkles Geheimnis. Denn die Kernfrage, die die Affäre auslöste, ist noch immer ungeklärt: Warum flossen im Jahr 2002 zehn Millionen Franken vom deutschen WM-Chef Franz Beckenbauer an den katarischen Geschäftsmann und Fifa-Funktionär Mohamed bin Hammam?

Auch wenn die 6,7 Millionen Euro nicht für den WM-Zuschlag waren: Die Vergabe war gekauft

Die Geschichte dieser Ermittlungen ist auch die Geschichte eines Justizversagens - insbesondere der Schweizer Bundesanwaltschaft. Die Affäre kennt ja zwei zentrale Figuren: Franz Beckenbauer und Mohamed bin Hammam. Doch die beiden spielten in den Ermittlungen gar nicht die Rolle, die ihnen gebührt hätte. In Frankfurt war Beckenbauer nur Zeuge, in der Schweiz wurde das Verfahren gegen ihn aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt. Und der damalige Geldempfänger bin Hammam wurde quasi komplett in Ruhe gelassen - obwohl die Schweizer genügend Anhaltspunkte hatten, gegen ihn zu ermitteln. Stattdessen konzentrierte man sich auf die früheren Funktionäre, die mit einer Zahlung über 6,7 Millionen Euro 2005 den Kredit tilgten, den Beckenbauer für die Zehn-Millionen-Transaktion 2002 aufgenommen hatte.

Die Ermittlungen in Bern wurden auf so groteske Weise verschleppt, dass im Frühjahr 2020 nur ganz knapp vor dem Ende der Verjährungsfrist die Hauptverhandlung begann - und dann nicht rechtzeitig zu Ende gebracht werden konnte. Nun liefert dieses krude Schauspiel zweieinhalb Jahre später auch noch den Grund, warum das Landgericht Frankfurt das deutsche Verfahren einstellt: Das Trio habe wegen der Sache ja schon vor einem Schweizer Gericht gestanden, und wegen einer Sache zweimal vor Gericht zu stehen, das ist gegen das Gesetz.

Was bedeutet das alles jetzt fürs Sommermärchen? Nach allem, was sich bisher an Indizien über die Zehn-Millionen-Zahlung aus dem Jahr 2002 zusammentragen lässt, hatte sie wohl keinen direkten Zusammenhang mit der WM-Vergabe - sondern eher mit einem Fernsehrechte-Deal zu tun, von dem Beckenbauer persönlich profitierte.

Das macht es, erstens, nicht weniger anrüchig, im Gegenteil. Und zweitens liegen auch ohne diese Millionenzahlung nach Katar genügend Vorgänge auf dem Tisch, um die WM als gekauft zu bezeichnen. Man denke nur - nicht ausschließlich - an den Vertrag, mit dem die deutschen Werber dem Skandalfunktionär Jack Warner vier Tage vor der Vergabe im Sommer 2000 Leistungen im Gegenwert von zehn Millionen Mark zusagten.

Das sogenannte Sommermärchen, das mal so hell strahlte, ist so für immer befleckt.

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