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An rund 70 Orten im Stadtgebiet, vom Teufelsberg bis zur Oberbaumbrücke wurde „Cleo“ gedreht.

©  Detailfilm

Vom Berghain bis Neukölln: In welchen Berlinale-Filmen Berlin eine Hauptrolle spielt

Die Berlinale ohne Filme über die Stadt an der Spree? Undenkbar. Ein Bezirk kommt besonders oft vor: Neukölln.

Das Ende ist nah. Besuchen Sie Berlin, solange es noch steht. Den auf uns zurasenden Asteroiden mit Atomraketen aus der Bahn werfen? Hat nicht funktioniert. In die Bunker steigen? Zu wenig Platz. Also taumelt die Stadt und nicht nur sie dem Abgrund entgegen, stehen Rauchwolken über Hauptbahnhof und Kanzleramt, tobt der Mob durch die Innenstadt, die Unterbaumstraße beispielsweise, während das prächtige Foyer des Westin Grand Hotels in der Friedrichstraße verödet daliegt, verlassen wie nach einer überstürzten Flucht.

Nein, es ist kein Vergnügen, in der achtteiligen Sky-Serie „8 Tage“ Berliner zu sein. Wobei die Todeszone bei einem 60 Kilometer dicken Trumm keineswegs an der Stadtgrenze endet. Die Regisseure Stefan Ruzowitzky und Michael Krummenacher haben ein attraktiv besetztes Ensemble zusammengestellt, um den Menschen in und um Berlin und besonders einer Familie bei den letzten Tagen vor dem Weltuntergang zuzusehen – darunter Mark Waschke, Nora Waldstätten, Devid Striesow, Henry Hübchen und Christiane Paul. Ab 1. März können Sky-Abonnenten entscheiden, ob Berlin noch im Untergang sehenswert ist, Welturaufführung ist bereits im Rahmen der Berlinale Series.

Die Berlinale ohne Berlin-Filme? Undenkbar. Dürfte es noch nie gegeben haben, gibt es auch diesmal nicht. Die Stadt an der Spree ist ja viel zu spannend, als dass man sie als Dreh- und Handlungsort links liegen lassen könnte. Man nehme nur unser Nachtleben, schließlich sind hier längst nicht mehr nur die Kreuzberger Nächte lang, man kann das am besten in dem David Dietls Dokumentarfilm „Berlin Bouncer“ (Perspektive Deutsches Kino) sehen.

Drei dieser „Bouncer“, der Türsteher in den Clubs, stehen im Mittelpunkt und selbstverständlich auch ihr Arbeitsplatz: Berlin bei Nacht, gesehen durch die Augen von Frank Künster, Smiley Baldwin und dem nicht nur stadtbekannten Sven Marquardt vom Berghain.

Ich bin ein Berliner: Sven Marquardt vom "Berghain", einer der drei Türsteher in "Berlin Bouncer" (Perspektive Deutsches Kino).
Ich bin ein Berliner: Sven Marquardt vom "Berghain", einer der drei Türsteher in "Berlin Bouncer" (Perspektive Deutsches Kino).

© Flare Film

Ein sehr spezielles Nachtleben allerdings, das sich im Nachwende-Berlin mit anfangs viel Wildwuchs entfaltete. Er sei „Exzessbetreuer“, beschreibt Künster seine Arbeit, während Marquardt sogar fürs Leben nach dem Tod Urszenen des Berliner Clublebens auf sich zukommen sieht: „Wenn ich mal das Zeitliche segne, dann komme ich bestimmt in so ’ne Hieronymus-Bosch-Zwischenhölle, wo ick immer irgendwo klopfe und dieser...: ,Ne, du nicht!’“

Glanz und Tristesse liegen eben eng beieinander – oder auch „Schönheit und Vergänglichkeit“. So heißt ein zweiter Dokumentarfilm über Sven Marquardt (Panorama), von Annekatrin Hendel diesmal dem Fotografen gewidmet sowie zweien seiner Weggefährten aus der Ost-Berliner Punkzeit.

Nur zu Besuch in Berlin waren fünf Punks aus Düsseldorf, nicht um das hiesige Nachtleben zu genießen, sondern um es zu bereichern, zu sehen im Dokumentarfilm von Grimme-Preisträgerin Cordula Kablitz-Post: „Weil du nur einmal lebst – die Toten Hosen auf Tour“ (Berlinale Special).

Kein Berlin-Film im engeren Sinne, aber das Doppel-Konzert in der Waldbühne im Sommer 2018. Die beiden Abende wegen Campinos Hörsturz zeitlich um Monate versetzt, dürfen darin natürlich nicht fehlen, auch nicht der Bandbesuch im Kreuzberger SO 36.

Neukölln steht dagegen im Mittelpunkt von Simona Kostovas Spielfilmdebüt „Dreissig“ (Perspektive Deutsches Kino). Sechs Personen suchen eine Aufgabe, so könnte man die Story zusammenfassen, die einen beliebigen Freitag im Oktober aus dem Leben der Gruppe vorführt. Alle sind sie um die 30 und vom Alltag ziemlich frustriert, erst am Abend blühen sie auf, ziehen um die Häuser, durch die Bars, etwa das „Freudenreich“ in der Sonnenallee.

Bonjour Tristesse. In "Der Atem" sieht man Berlin nur bei Nacht.
Bonjour Tristesse. In "Der Atem" sieht man Berlin nur bei Nacht.

© schueppel-films

Überhaupt die Nacht. Sie scheint es den Berlin-Filmern diesmal besonders angetan zu haben. In Uli M Schueppels Film „Der Atem“ (Panorama) geht die Sonne erst ganz zum Schluss auf, erzählen Menschen in kurzen Episoden von existentiellen, überwiegend krisenhaften Momenten in ihrem Leben, ein Kaleidoskop von Berliner Schicksalen – vom Frohsinn des hiesigen Clublebens Lichtjahre entfernt.

Trennung im Hansaviertel

Die Drehorte sind dabei oft schwer zu lokalisieren oder für den Normalbürger untersagt, wie der Führerstand einer S-Bahn. Einfach ist es dagegen, will man den wichtigsten Drehort von Miriam Blieses Film „Die Einzelteile der Liebe“ (Perspektive Deutsches Kino) aufsuchen: Klopstockstraße 14 im Hansaviertel, draußen vor der Tür. Das ist auch gut so, wenn ein Paar keines mehr ist, einiges zu besprechen hat, neue Beziehungen hineinspielen – da tut neutraler Boden gut.

Im Hansaviertel draußen vor der Tür: Ole Lagerpusch und Birte Schnöink in "Die Einzelteile der Liebe" (Perspektive Deutsches Kino).
Im Hansaviertel draußen vor der Tür: Ole Lagerpusch und Birte Schnöink in "Die Einzelteile der Liebe" (Perspektive Deutsches Kino).

© Markus Koob / dffb

Noch mehr Berlin gefällig? Als sommerliche Kulisse für eine Ménage-à-trois? In Thomas Moritz Helms „Heute oder morgen“ (Perspektive Deutsches Kino) wird das geboten. Gewiss kein Stoff für Filme der Sektion Generation, da geht es um andere Probleme.

Und vor uns das Tempelhofer Feld: Eine Protagonistin in "Kinder" (Generation)
Und vor uns das Tempelhofer Feld: Eine Protagonistin in "Kinder" (Generation)

© Nina Wesemann

Nina Wesemann etwa zeigt in „Kinder“ vier Zehnjährige mit sehr verschiedenem sozialen Hintergrund an der Schwelle zur Welt der Erwachsenen, zwischen Einfamilienhaus-Siedlung am Stadtrand und – ja, schon wieder – Neukölln. Und „Cleo“ von Erik Schmitt ist geradezu eine „Liebeserklärung an Berlin“, wie die zuständige PR-Agentur schwärmt – angesichts der rund 70 Berliner Drehorte erscheint das nicht übertrieben.

In Berlin wohnt die von Marleen Lohse gespielte Titelfigur, eine scheue Einzelgängerin, die mittels einer magischen Uhr die Zeit zurückdrehen und den Tod ihrer Eltern ungeschehen machen möchte – nur wurde die leider schon vor langer Zeit geraubt. Doch dann lernt sie den Abenteurer Paul kennen, der zünftig auf einem Hausboot wohnt und eine ihm unverständliche Schatzkarte ersteigert hat – der Wegweiser zur Uhr?

Eine aufregende Reise beginnt, führt die beiden Schatzsucher kreuz und quer durch die Stadt: Teufelsberg, Schildhorn, Tempelhofer Feld, auch Großer Stern und Brandenburger Tor dürfen nicht fehlen – und nicht die Straßen von Neukölln.

Aber nicht die Stadt allein, auch einer ihrer berühmten Männer kommt in den Festivalfilmen groß raus. Kein gebürtiger Berliner, aber er hat lange hier gelebt und gewirkt, prägte besonders das Theaterleben: Bertolt Brecht. Nach Wehner, den Manns, Speer/Hitler hat sich Heinrich Breloer den armen B.B. vorgeknöpft, zeigt das für die ARD gedrehte zweiteilige Dokudrama „Brecht“ (Berlinale Series). Allerdings, entstanden ist es nicht an den Originalschauplätzen, sondern in Prag. Dort dreht man billiger.

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