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Kultur „Toast“

Neil Young und seine alten Ängste

Chefkorrespondent Feuilleton
ARCHIV - 09.09.2019, USA, Santa Monica: Der kanadische Rockstar Neil Young. Das neue Album "Toast" von Neil Young & Crazy Horse soll am 08.07.2022 erscheinen. (zu dpa "Neil Young & Crazy Horse: Ein «Toast» auf sagenumwobene Zeiten") Foto: Rebecca Cabage/Invision/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ ARCHIV - 09.09.2019, USA, Santa Monica: Der kanadische Rockstar Neil Young. Das neue Album "Toast" von Neil Young & Crazy Horse soll am 08.07.2022 erscheinen. (zu dpa "Neil Young & Crazy Horse: Ein «Toast» auf sagenumwobene Zeiten") Foto: Rebecca Cabage/Invision/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
ARCHIV - 09.09.2019, USA, Santa Monica: Der kanadische Rockstar Neil Young. Das neue Album "Toast" von Neil Young & Crazy Horse soll am 08.07.2022 erscheinen. (zu dpa "Neil Young &... Crazy Horse: Ein «Toast» auf sagenumwobene Zeiten") Foto: Rebecca Cabage/Invision/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Quelle: dpa/Invision/AP/Rebecca Cabage
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Vor 22 Jahren nahm Neil Young mit seiner Hausband Crazy Horse ein Album namens „Toast“ auf – und ließ es im Giftschrank verschwinden. Nicht, weil es schlecht gewesen wäre. Dass es erst jetzt erscheint, hat ganz andere Gründe.

Man hatte Neil Young ja als alles Mögliche gespeichert, als radikalen Umweltschützer, Tonqualitätsjunkie, lakonischen Blueser, Teilzeit-Rockabilly, Gitarrengewittergott, störrisches Genie und noch eine Menge mehr, in den letzten Jahren auch zunehmend als Archivar in eigener Sache. Als Angsthasen hatte man ihn dagegen nicht auf dem Zettel. Und doch bildet sich allmählich ein Muster heraus.

In der sogenannten „Special Release Series“, die sich schon durch die überschaubare Zahl der Veröffentlichungen – bislang vier – angenehm abhebt von der „Official Release Series“, der „Official Bootleg Series“, der „Performance Series“ oder den „Box Sets“, ganz zu schweigen von den regulären Alben, ist jetzt „Toast“ herausgekommen. Sieben Songs, vor 22 Jahren mit Youngs Hausband Crazy Horse in einem Studio auf San Franciscos Mission Street aufgenommen. Sie verschwanden nicht etwa deshalb so lange in der Versenkung, weil sie schlecht gewesen wären. Ganz im Gegenteil, sie sind durchweg super und manchmal absolut fantastisch. Der Meister bemäkelte etwas anderes – sie machten ihn traurig.

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„In der Musik von ‚Toast‘“, schrieb er schon vor einem Jahr auf seiner Web-Seite neilyoungarchives.com, „geht es um eine Beziehung. In vielen Beziehungen, die schiefgehen, gibt es eine Zeit, lange vor der Trennung, in der einem von beiden, vielleicht auch beiden, dämmert, dass es vorbei ist. Das war diese Zeit.“

Young verfuhr nach dem Prinzip „Klappe zu, Affe tot“; die Missstimmung war musikalisch ausagiert worden, wozu sie noch öffentlich machen? Lieber nahm er schnell das nächste Album auf, „Are You Passionate?“ mit den zu diesem Zweck gecharterten Soul-Musikern um Booker T. Ein paar der Songs, die jetzt mit Crazy Horse zu hören sind, schafften es damals, in völlig anderen, weniger zerquälten und auch weniger anrührenden Arrangements, auf die Ersatzplatte, die mehr so unter Achselzucken durchging. Immerhin: Die Beziehung, deren Risse Young auf „Toast“ besungen hatte – es war die zu seiner Frau Pegi –, ging erst 13 Jahre später in die Brüche, weil eine gewisse Daryl Hannah dazwischengekommen war.

Toxische Beziehungen

Fans erinnern sich: Bei Youngs lange verschollenem Album „Homegrown“ aus der „Harvest“-Zeit war es genauso gewesen. Das hatte er Mitte der Siebzigerjahre in den Giftschrank mit den Abschiedsbriefen an die Schauspielerin Carrie Snodgress gepackt (die von Pegi abgelöst worden war) und erst 2020 wieder hervorgeholt. Schon damals, vor zwei Jahren, berichtete Young, er habe die Emotionen, die „Homegrown“ in ihm auslöste, nicht ausgehalten. Paartherapeuten sprächen bei einem solchen Verhalten wohl von Sublimierung und anschließender Verdrängung. In einer Beziehung kann so was schnell toxisch werden. Wer aber Liebhaber nicht des Musikers ist, sondern seiner Musik, der darf sich ohne Reue aufs neue Material stürzen.

Neil Young: „Toast“ (Warner)
Neil Young: „Toast“ (Warner)
Quelle: Reprise

Harmlosigkeit vorschützend geht es los, mit dem lieblichen „Quit“ und seinem lakonischen Refrain „Don’t say you love me“, dem Young schließlich in cleverer Verkehrung der Sprecherrollen hinterherschickt: „That’s what she said.“ Darauf folgt der punkige Rocker „Standing in the Light of Love“, der wie zu besten „Ragged Glory“-Zeiten dahindonnert. Spätestens hier nimmt man auf einer guten Anlage die fantastische Produktion wahr, mit einer Dynamik, die Youngs mäandernden, singenden Gitarrensoli den Raum verschafft, der ihnen gebührt. Das trotzig-verzweifelte „Goin’ Home“ war auch auf „Are You Passionate?“, als einziger Song dort sogar eingespielt von Crazy Horse. Hier klingt er noch drängender, paradox zum Zweifel entschlossener. In ihm überlagern sich das Gefühl einer ausweglosen Beziehung und die Niederlage von General Custer am Little Big Horn – eine typisch gigantomanisch verspulte Neil-Young-Metaphorik, die es genauso torkelnd und schief ins Ziel schafft wie seine besten Songs. Groß auch „Gateway of Love“ und das melancholische „How Ya Doin’?“, das auch dem legendären Einsiedleralbum „On the Beach“ Ehre gemacht hätte.

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Die Offenbarung von „Toast“, die es umstandslos in die erste Riege katapultiert, ist der existenzielle Grübeldrive von „Boom Boom Boom“. Auf „Are You Passionate?“ hatte der Song noch „She’s a Healer“ geheißen, war aber vom automatisiert gut gelaunten Funk der MGs irgendwie sediert, als hätte man ihn mit Tranquilizern zugedröhnt. Hier schwankt und swingt er über epische zwölf Minuten langsam nach Hause, mit jazzig-minimalistischen Soli von Gitarre, Klavier und sogar einem sehnsüchtigen Saxofon. Man lauscht hingerissen und ertappt sich bei der leisen Hoffnung, dass sich im musikalischen Archiv von Neil Youngs Herz noch viele weitere Ex-Freundinnen tummeln mögen.

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