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Literatur Literarische Welt Daily 4

Alle Artikel aus der ersten Novemberhälfte

„Einen Feuilletonisten wollen wir hier nicht an unserem Institut!“ „Einen Feuilletonisten wollen wir hier nicht an unserem Institut!“
„Einen Feuilletonisten wollen wir nicht!“
Quelle: Getty Images/krisanapong detraphiphat
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Das tägliche Update aus der Welt der Literatur. Heute: Kann man Literatur lieben, aber Literaturwissenschaft hassen? Diese Frage stellten sich Forscher bei einer Podiumsdiskussion in Berlin. Mit interessanten Erkenntnissen. Und einem Tipp, von welchen Menschen man sich besser fernhalten sollte.

12. November, Abend-Update: Diese Probleme hat die Literaturwissenschaft

Die Literaturwissenschaft sieht sich auf der Podiumsdiskussion „Vom Nutzen und Nachteil der Literaturwissenschaft für das Leben“ im Wissenschaftskolleg zu Berlin von zwei Seiten attackiert. Einerseits muss sie sich gegen die Vorwürfe der anderen Wissenschaften verteidigen, andererseits gegen die der Leser, besonders derjenigen von Populärliteratur. Zur Verteidigung der infrage gestellten Disziplin angetreten sind die Literaturwissenschaftler Carlos Spoerhase, Julika Griem, John Guillory und Lothar Müller. Spoerhase moderiert, die anderen geben jeweils fünfzehnminütige Impulsvorträge.

Einen Grund für die allgemeine Abwertung der Literaturwissenschaft vermutet Julika Griem in ihrer Feminisierung. Es seien gerade die nicht-feminisierten Fächer, die den höchsten Ruf und das höchste Einkommen versprächen. Dieses Problem zeigt sich vielleicht schon in der emotionalisierten Frage, von der die Vorträge ihren Ausgang nehmen: Wie viel Liebe muss beim Studium der Literatur an den Tag gelegt werden? Ein Virologe, bemerkt Guillory, müsse schließlich auch keine Viren lieben, höchstens fasziniert von ihnen sein.

Germanist Moritz Baßler, der im Publikum sitzt, äußert sein Misstrauen gegenüber solch einem Konzept der Liebe – und den vielleicht einzigen praktischen Tipp des Abends: „Wenn man in einem Tinder-Profil ‚Ich liebe Musik‘ liest, hält man sich besser fern.“ Eine andere Zuschauerin, die Germanistin Eva Geulen, lässt ihrem Frust freien Lauf: Weil sie sich der Sprache bedient, um Sprache zu beschreiben, habe die Literaturwissenschaft, im Vergleich etwa zur Kunst- oder Musikwissenschaft, ein Anerkennungsproblem.

Mit einem musternden Blick ins Publikum, über die vollen Reihen grauer Anzug- und Brillenträger, gibt Griem zu bedenken, dass viele Leserschaften heute gar nicht anwesend seien. Ob das Fachwissen der Diskutanten auf diese Gruppen anwendbar sei? Müller erzählt von seiner Zeit im Feuilleton der „SZ“ und „FAZ“, die ihn gelehrt habe: Je jünger eine Kunst, desto komplexer dürfe die Literaturkritik sein. Zu den Anfängen des Films und des Pops etwa hätte man so theoretisch kompliziert über diese Felder schreiben dürfen, wie man wollte.

Ein Problem der Literaturwissenschaft, so weitere Überlegungen, mag in ihrer Bevorzugung elitärer Literatur liegen, die gar nicht anders als literaturwissenschaftlich rezipiert werden könne, etwa „Ulysses“ oder „Der Mann ohne Eigenschaften“. Eine Publikumsfrage bringt den steifen Stil der meisten literaturwissenschaftlichen Aufsätze ins Spiel, der sie für Literaturliebhaber ungenießbar mache. Zustimmung im Saal. „Einen Feuilletonisten wollen wir hier nicht an unserem Institut!“, diesen Satz habe Griem oft gehört.

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Mit dem Verdacht, schönes Schreiben sei unprofessionell, scheint dann auch der Bogen zu der Nietzsche-Anspielung im Veranstaltungstitel gespannt. In seiner berühmten Historismus-Kritik „Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben“ warnt der Philosoph vor einem Übermaß an historischer Forschung, einer obsessiven Orientierung an der Vergangenheit, und einer sich in immer kleineren Details verstrickenden Wissenschaft. Damit gehe der Blick fürs Ganze, der Bezug zum Lebendigen verloren.

Im Wissenschaftskolleg, das sich seine Distanz zum traditionellen Universitätssystem zugutehält, wird Nietzsches Klage auf die Frage zugespitzt: Kann man Literatur lieben, aber Literaturwissenschaft hassen? Fast ironisch bringt da die letzte Bemerkung aus dem Publikum das ganze Dilemma, in dem auch die aktuelle Diskussion steckt, auf den Punkt. „Was ist denn jetzt mit dem Leben?“ Die Forscher blicken verunsichert, räuspern sich unschlüssig. Darüber scheinen sie noch nicht nachgedacht zu haben. Marie-Luise Goldmann

11. November, Mittagsupdate: So werden Sie auch als Schriftsteller reich

Das durchschnittliche Jahreseinkommen von deutschen Schriftstellern liegt laut Künstlersozialkasse (KSK) bei bescheidenen 21.213 Euro – brutto. Ein mit zehn Millionen Schwedischen Kronen (rund 980.000 Euro) dotierter Nobelpreis würde einem deutschen Durchschnittswortarbeiter gemäß KSK-Statistik also 46 Jahre Grundeinkommen sichern. Nur wer gewinnt schon den Nobelpreis?

Zum Glück gibt es, allein in Deutschland, rund 1200 weitere Literaturpreise. Rund 600 davon werden jährlich verliehen – so hat es das DFG-Projekt „Literaturpreise“ von der Uni Duisburg ermittelt. Zu den mit 50.000 Euro Preisgeld bestdotierten gehört der renommierte Büchnerpreis, der am vergangenen Wochenende in Darmstadt an Clemens J. Setz verliehen wurde.

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Nicht alle Auszeichnungen bestehen (allein) aus Geld. Der „Rheingau Literatur Preis“, der dieses Jahr an Judith Hermann ging, ist mit 11.111 Euro und 111 Flaschen Riesling dotiert. Klar ist auch, über literarische Auszeichnungen lästern nur die Schriftsteller, die es sich leisten können. Thomas Bernhard hat ein ganzes Buch daraus gemacht. In „Meine Preise“ rechnet er höchst unterhaltsam mit dem Literaturbetrieb und seinem Preiswesen ab. rei

10. November, Morgenupdate: Roxane Gay über „schwierige Frauen“

Wir haben alle schon von diesem Typus Frau gehört, der als „schwierig“ gilt. „Schwierige Frauen“ lautet auch der Titel der Kurzgeschichtensammlung der amerikanischen Feministin Roxane Gay, die „Schwierigkeit“ als gesellschaftliches Konstrukt zeigen will. Gay gilt als eine Art Kult-Feministin, seitdem sie das Buch „Bad Feminist“ geschrieben hat, „Geständnisse einer schlechten Feministin“.

Bekannt für ihr Buch „Bad Feminist“: Roxane Gay
Bekannt für ihr Buch „Bad Feminist“: Roxane Gay
Quelle: Getty Images for Playboy Playhou/John Sciulli

Verbindendes Element ihrer neuen und grandiosen Storys sind Kippmomente, in denen die normalen Geschichten normaler Menschen in eine unvermittelte Düsterkeit stürzen: Die unzertrennlichen Schwestern wurden als kleine Mädchen entführt und gefangen gehalten; die Tage der jungen Frau, deren Freund sich plötzlich von ihr trennt, werden von düsteren Wolken überschattet – brutal wirken diese Einbrüche einer Gegenrealität in das gewöhnliche Leben.

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Dabei handelt es sich nicht um Fantastik, sondern eher um eine dunkle Seite der Realität, die Gay so unvermittelt offenbart, dass man beim Lesen regelrecht schockiert ist. Gay zeigt in ihren Storys: Nicht diese Frauen sind schwierig – ihre Welt ist es. Marlen Hobrack

Roxane Gay: Schwierige Frauen. Aus d. Amerik. v. Anne Spielmann. Btb, 320 Seiten, 20 Euro.

9. November: Morgenupdate: Helen Oyeyemis neuer Roman

Eigentlich ist die nigerianisch-britische Schriftstellerin Helen Oyeyemi alles andere als eine Newcomerin. Oyeyemi, 1984 in Nigeria geboren und in London aufgewachsen, ist spätestens seit ihrem Debüt „The Icarus Girl“ (2004) eine wichtige Stimme der jüngeren britischen Literatur. 2013 wurde sie vom „Granta Magazine“ unter die 20 besten jungen britischen Autoren und Autorinnen gewählt („Granta“ hat seit jeher eine gute Nase für zukünftige Großschriftsteller, 1983 wurden zum Beispiel Kazuo Ishiguro, Salman Rushdie, Julian Barnes, Martin Amis und Pat Barker vorgestellt, später auch Zadie Smith).

Die nigerianisch-britische Autorin Helen Oyeyemi
Die nigerianisch-britische Autorin Helen Oyeyemi
Quelle: Manchul Kim

Nun ist ein neuer Roman von Oyeyemi erschienen, „Peaces“ (Riverhead, 256 Seiten, 24 Euro), eine im besten Sinn seltsame Geschichte – halb postmoderne Geistergeschichte, halb kluger Whodunnit –, die überwiegend in einem Zug und dort in einer Bibliothek spielt; also alles sehr aus der Zeit gefallen und fast so, wie es ein englischer Kritiker formulierte, als taumele man beim Lesen durch „die Fieberträume von Wes Anderson“. Gespannt wartet man auf eine deutsche Übersetzung. deli

8. November, Morgenupdate: Emine Sevgi Özdamars neuer Roman

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„Ein von Schatten begrenzter Raum“ ist ein Raum, wie ihn das Theater regelmäßig produziert. Das, was im Scheinwerferlicht steht, wird begrenzt durch das, was in der Dunkelheit der ungenutzten Bühnenräume schlummert. In einer Vision der Erzählerin ist es umgekehrt ihr eigener Schatten, in dem sie überhaupt ein Leben führen kann.

Die Erzählerin ist ein Alter Ego der 1946 in der Türkei geborenen Autorin Emine Sevgi Özdamar, die nach dem Militärputsch als Theaterschauspielerin Mitte der Siebzigerjahre nach Berlin kommt, um dort ihre in der Türkei „krank“ gewordenen Wörter durch ein von Brecht geformtes Deutsch zu kurieren. Ein abenteuerliches Leben beginnt zunächst zwischen der ost- und westdeutschen Theateravantgarde, danach im Nouvelle-Vague-Milieu von Paris, wohin sie der Brecht-Schüler Benno Besson mit einer Theaterproduktion lockt. Dort lernt die Heldin eine weitere Sprache. Dieses Mal nicht mit Hölderlin, Heine und Brecht, sondern mit Leo Ferré und der Piaf, mit der sie ein Zwiegespräch auf dem Père Lachaise beginnt.

„Ein von Schatten begrenzter Raum“ ist ein Roman, der die Städte Berlin, Paris und Istanbul als je eigene Erfahrungsräume des 20. Jahrhunderts einschließt. Das Buch besteht aus Episoden, in denen es von Personen der Zeitgeschichte nur so wimmelt. Wer wissen möchte, wie es damals so zuging im kriegsblinden Berlin der Mauerjahre oder im von sich selbst beschwipsten Paris der Sartre-Bohème, der wird dieses Buch mit ebenso großem Interesse lesen wie all jene, die die politischen Verhältnisse in der Türkei kennen und verfolgen: von Atatürks „Modernisierung“, dem ultranationalistischen Terror bis hin zu Erdogan.

Emine Sevgi Özdamar
Lebt heute in Berlin: Emine Sevgi Özdamar
Quelle: picture-alliance / dpa

1992 erschien Özdamars erster Roman, ihr „Kindheitsroman“, wie sie ihn nennt. „Das Leben ist eine Karawanserei, hat zwei Türen, aus einer kam ich rein, aus der anderen ging ich raus“ war sein genialer Titel. Er machte die in Theaterkreisen längst bekannte Schauspielerin, die in einer Langhoff-Inszenierung schon mal unaufgefordert im Kostüm einer türkischen Putzfrau die Bühne wienerte, zur Heldin des deutschen Literaturbetriebs. 1998 folgte „Die Brücke vom Goldenen Horn“ – ein Roman, in dem es um die Achtundsechziger-Bewegung in Istanbul ging. Zum „Kindheitsroman“ gesellte sich also ein „Jugendroman“, der eine intellektuelle Coming-of-Age-Geschichte erzählte, in der Griechisch-, Armenisch- oder Türkischsein keine Kategorien bildeten. Sehr wohl aber die Namen Pasolini, Fellini, Antonioni, Gramsci, Godard, Sartre, Camus, Buñuel, Nazim Hikmet.

Schließlich erschien 2003 „Seltsame Sterne starren zur Erde“ über Özdamars Leben im Scheinwerferlicht großer Regisseure und im Schatten einer Erfahrung des Exils. Die Heimat bleibt eine Leerstelle, die in einer lebenslangen Unbehaustheit sichtbar wird. Namentlich im Nomadenbetrieb des Theaters. „Wenn du auch zurückkehrst in einer düsteren Nacht, dein Gewissen wird vor dir in deiner Stadt Istanbul heimlich in eine Bucht fahren, ein aus bösen Schuldgefühlen gebautes Piratenschiff, und listig auf dich warten“, prophezeit der Erzählerin einmal ein türkischer Moskito.

Literarische Welt Daily: Die Chronik

Liest man nun die aktuelle Bilanz einer Frau, die Istanbul vor mehr als fünfundvierzig Jahren verlassen hat, kann man sich nur wundern, dass ihrer Kunst in den Neunzigern das Etikett der Migrantenliteratur angeheftet wurde. Denn dieser Begriff ist viel zu sozialpolitisch, um Özdamars poetische Verfahren zu beschreiben. Der Text ist Prosa und Gedicht, Dokument und Fantasie, Mythos und Logos in einem. Man folgt gespannt den Zeitläuften, die mal von sprechenden Krähen reflektiert werden, dann wieder aus bekannten Chanson- oder Gedichtzeilen stammen oder eben aus Zitaten. Hölderlins Ruf „Komm! ins Offene, Freund!“ ist für Özdamar nicht nur ein Satz in deutscher Sprache. Sie lebt auch nach ihm. „Wenn Berlin ein Kriegsbuch ist, in dem es Fotos von Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg ohne Kiefer, ohne Nase, ohne Mund gab, war Paris ein Chansonbuch. Immer diese Orte aus den Chansons.“

Mit Catherine Deneuve und Jean-Paul Sartre im „Café de Flore“ kommt nicht nur Asphalterotik und Starrummel in Özdamars Leben, sondern auch in ihr Buch. Man verschlingt die Pariser Passagen, die sich wie ein geistiges Gründerzeitmärchen lesen. Paris muss ein riesiges Café gewesen sein. Man wohnte ärmlich Rive Gauche, kleidete sich dabei stilvoll und besuchte die neu gegründete linke Uni in Saint-Denis. Vor allem aber: Özdamar ist in Frankreich keine Vorzeigetürkin mehr, sondern Teil einer elitären Exiltürkengemeinschaft, die in die französische Kultur eintaucht wie in ein dem Bosporus verwandtes Gewässer. Paris, das ist in den Siebzigerjahren der Ort, „an dem die Hölle eine Pause gemacht hat“, heißt es im Roman. Sie bleibt auch später ein Pausenhof, auf dem die Erzählerin ihre nun auch in Deutschland krank gewordenen Wörter kuriert. In den Augen vieler Kritiker sind sie nämlich längst Symbol für das „Orientalische“ ihrer Kunst. Özdamars Buch ist vieles auf einmal: Vor allem aber ist es eine Revolte gegen solche Zuschreibungen – gegen die Verschleifungen der Sprache durch Ideologie und Klischee. Sebastian Fuchs

Emine Sevgi Özdamar: Ein von Schatten begrenzter Raum. Suhrkamp, 763 Seiten, 28 Euro.

7. November, Mittagsupdate: Arundhati Roys neuer Roman

Es ist ein schreckliches Land, das Arundhati Roy in ihrem neuen Essayband „Azadi heißt Freiheit“ beschreibt. Auf Indiens lange Knechtschaft unter imperialer Arroganz folgte eine maßlose Selbstbesoffenheit im Schein zahlloser Atomtests. Viele Hundert Millionen Menschen und ihre Sprachen, so beschreibt es Roy, ächzen seit Jahrzehnten unter dem Joch des großen Vereinheitlichers mit dem Januskopf.

Schreibt in der Sprache der einstigen Besatzer: Arundhati Roy
„Die Welt muss neu erfunden werden“: Arundhati Roy
Quelle: picture alliance / NurPhoto

Manchmal zeigt er sich als fortschrittliche Moderne, zumeist jedoch als unverhohlener Faschismus. Roy wagt es, Stil und Ziel der Politik des Hindu-Nationalisten Narendra Modi beim Namen zu nennen. Seit dem Bestseller „Der Gott der kleinen Dinge“ (1997) ist sie die berühmteste Schriftstellerin Indiens. Man hofft, dass das reicht, damit sie sich ihre Äußerungen leisten kann. Flüsse sind keine sanften Schneisen durch malerische Landschaft. Unter Modi schwimmen Leichen darin. Die versammelten Texte, alle in den vergangenen drei Jahren entstanden, behandeln Themen, die der ganzen Welt unter den Nägeln brennen: das Vermächtnis der Kolonisatoren, das Comeback autoritärer Führer, der Horror der Pandemie.

Roy schreibt auf Englisch, in der Sprache der einstigen Besatzer. Doch weigert sie sich, darin eine Einbahnstraße der Macht zu erkennen. Sie destilliert aus ihr die titelgebende Freiheit. Der Ton ist alarmiert und zugleich gelassen. Roy schreibt aus einer klaren, bescheidenen Mission heraus: „Die Welt muss neu erfunden werden. Mehr nicht.“ Jan Küveler

Arundhati Roy: Azadi heißt Freiheit. Aus dem Engl. von Jan Wilm. S. Fischer, 256 S., 24 Euro.

6. November, Morgenupdate: Brotjobs und Literatur

Es war Heike Geißler, die vor sieben Jahren einen Trend begründete, als sie ihr Buch „Saisonarbeit“ veröffentlichte. Die Schriftstellerin aus Leipzig hatte vor Weihnachten als Saisonkraft im Amazon-Versandzentrum angeheuert. Geißlers Erfahrungsbericht war so grundsätzlich, ernst und eindringlich, dass er den bis dato vorherrschenden Diskurs um Digitalisierung, der damals noch ganz vom Lifestyle einer digitalen Blogger-Boheme eingenommen war, mit Aplomb um die Perspektive des weiterhin analogen Picker- und Packer-Personals ergänzte.

„Wir nennen es Arbeit“, hatten Holm Friebe und Kathrin Passig ihr Buch über intelligentes Leben jenseits der Festanstellung 2007 betitelt. Es ist Arbeit, und zwar von der Sorte, mit der grundsätzlich etwas faul ist, schien Geißlers „Saisonarbeit“ dem politisch hinterherzurufen. Geißlers Perspektive wurde während der folgenden Jahre immer virulenter, nicht zuletzt mit Blick auf all die Jobs der Uber-Fahrer, Cityroller-Einsammler, Lieferhelden und so weiter. Inzwischen hat selbst die Soziologie die Amazon-Arbeiter und Paketzusteller entdeckt und porträtiert sie im aktuellen Sammelband „Verkannte Leistungsträgerinnen“ bei Suhrkamp.

Kein Job wie jeder andere: Isabelle Lehn
Kein Job wie jeder andere: Isabelle Lehn
Quelle: A. Sophron

Und dann, kürzlich, Buchpremiere für die im Verbrecher-Verlag erschienene Anthologie „Brotjobs & Literatur“ in Leipzig. Die Literaturzeitschrift „Edit“ richtet den Abend im Rahmen des Literaturfestivals „Literarischer Herbst“ aus. In Wurfweite zum Deutschen Literaturinstitut (DLL), wo man Schriftstellerei studieren kann, sprechen zwei Autorinnen und zwei Autoren über die selten thematisierten Schattenseiten der Schriftsteller-Existenz: Arbeit neben der eigentlichen literarischen Arbeit.

Es geht um Lohnarbeit und „McJobs“. Es habe sich ganz seltsam angefühlt, über Jahre hinweg eine Diplom-Schriftstellerin ohne Buch gewesen zu sein, sagt Janna Steenfatt, Absolventin des DLL. Doch da sie sich mit den Nebenjobs, die ihr Leben finanziert haben, kaum aufs Schreiben konzentrieren konnte, habe es einfach gedauert, bis ihr Debüt „Die Überflüssigkeit der Dinge“ (2020 bei Hoffmann und Campe) fertig war. Ganz anders argumentiert Philipp Böhm, der für die Anthologie „Brotjobs & Literatur“ den witzigen Text „Das Jahr mit den Yachten“ beigesteuert hat, einen Erfahrungsbericht über suchmaschinenoptimierte Lohntexterei bei einem Urlaubsportal. Er, der diverse Brotjobs ausgeübt und 2019 seinen Debütroman „Schellenmann“ über einen Fabrikarbeiter veröffentlicht hat, sagt, er sei oft ganz froh, nicht den ganzen Tag nur als Schriftsteller funktionieren zu müssen. Für den Wechsel zwischen Brotjob und Literatur sei er jedenfalls dankbar.

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Von „Lebensabschnittstätigkeiten“ wiederum spricht Thorsten Krämer, der schon Ende der 1990er Jahre debütierte und feststellen musste, dass der Popliteratur-Hype bei Kiwi nicht ewig andauerte. Und warum sollen sich nicht auch Schriftsteller neu erfinden können, wenn sie vom Schreiben allein nicht leben können? Es gehe darum, überhaupt Sichtbarkeit für dieses Thema zu schaffen, sagt Julia Dathe, Moderatorin des Abends und eine der Herausgeberinnen von „Brotjobs & Literatur“. Gerade wegen der Wechselwirkung und der Frage, wie und welche Einnahmequellen den Lebensunterhalt für die Selbst-Unternehmung namens Schriftsteller ermöglichen, sei das Kaufmanns-Und „&“ im Titel ausdrücklich richtig. Eine fast schon semiotische Begründung des Umstandes, dass Schriftsteller nicht nur schreiben, sondern sich auch verkaufen und finanzieren müssen.

Über die am meisten nervige Frage „Und? Können Sie davon leben?“ hat Isabelle Lehn einen lesenswerten Beitrag in dem Band beigesteuert. Denn Schriftstellerin zu sein, bedeutet auch und nicht zuletzt kommunikative Sisyphus-Arbeit in vielen Smalltalk-Situationen. Insgesamt 19 Texte geben mutige und ehrliche, wütende und witzige, nachdenkliche und narrative Einblicke in das allzu oft tabuisierte Schriftstellerdasein hinter den Kulissen – bis hin zum buchstäblichsten aller Brotjobs, von dem der Beitrag mit der besten Einstiegspointe handelt: „‚Michael Schweßinger hat auch noch einen Brotjob als Bäcker.’ Das ist der Standardsatz, mit dem ich bei Lesungen vorgestellt werde.“ Marc Reichwein

Brotjobs & Literatur. Hg. von Iuditha Balint, Julia Dathe, Kathrin Schadt und Christoph Wenzel. Verbrecher-Verlag, 234 Seiten, 19 Euro.

5. November, Morgenupdate: „Antisemitismus ist ein Rassismus zweiter Klasse“

Seine Mutter entkam 1939 aus Ostpreußen: David Baddiel
Seine Mutter entkam 1939 aus Ostpreußen: David Baddiel
Quelle: Getty Images

Nicht nur in Deutschland wird Antisemitismus wieder hoffähiger. In Großbritannien förderte eine Kommission strukturelle Feindschaft gegenüber Juden bis in die Parteispitze der Labour Party ans Licht; der dabei bloßgestellte Vorsitzende Corbyn wurde ausgeschlossen. Dass Juden gerade auch im sich links dünkenden Milieu ins Fadenkreuz geraten, dass gerade im politkorrekten Gerede antisemitische Stereotype auferstehen, schildert der britische Comedian David Baddiel (seine Mutter entkam 1939 mit knapper Not aus Ostpreußen).

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Der doppeldeutige Titel „Und die Juden?“ zitiert einerseits allerlei Diskriminierungen – auch von berühmten Schauspielern, Schriftstellern, Fernsehleuten –, die Kritik an Israel mit rassistischer Frontalattacke auf „die Juden“ zusammenpanschen. Erschreckend, wenn auch nicht überraschend, kommt Baddiels Beobachtung, dass vor allem im Internet ein Überbietungswettbewerb tobt, der Untaten gegenüber Schwarzen, Homosexuellen, Kolonisierten mit vermeintlich weniger üblem, weil gegen „Weiße“ gerichteten Antisemitismus verrechnet.

Oder antikapitalistischen Furor mit halb automatischem Stumpfsinn auf „jüdisches Geld“ fokussiert. „Antisemitismus ist ein Rassismus zweiter Klasse“, folgert Baddiel zu Recht. Bleibt die Frage, ob des Autors etwas naives Weltbild von „Progressiven“ auf der richtigen Seite der Geschichte so richtig ist. Dirk Schümer

David Baddiel: Und die Juden? Aus d. Engl. v. Stephan Kleiner. Hanser, 136 Seiten, 18 Euro.

Literarische Welt Daily: Die Chronik

4. November, Mittagsupdate: Leben zwischen New York und Berlin

Erinnerungen an Heiner Müllers „Krieg ohne Schlacht“ kommen auf. Weniger, weil Wolfgang Schivelbuschs intellektueller Werdegang mit einer Abschlussarbeit an der FU über anarchische DDR-Dramaturgen begann. Eher, weil seine Lebensbeschreibung, wie die Müllers, angewiesen ist auf das fragende Gegenüber. „Die andere Seite“ ist ein Buch in Gesprächsform, wie beim großen Dramatiker zwang ihn beim großen Solitär der Kulturgeschichte eine Schreibblockade dazu.

Nicht ein „Leben in zwei Diktaturen“, sondern ein Forscherleben „zwischen New York und Berlin“ wird so greifbar. Das „zwischen“ im Untertitel verrät viel, nicht nur über Schivelbuschs Orte und seine Faszination für den Transit. „Mich interessieren mehr Übergangsformen als Endprodukte“, bekennt er, selbst wenn „die äußere Wirklichkeit“, wie beim fortgesetzten Schälen einer Zwiebel, irgendwann gar ihren innersten Kern verliere. Auch Schivelbuschs Denken in Analogien, die Suche nach dem Tertium comparationis zwischen scheinbar Disparatem ist hier schon angelegt.

Er sei nicht wie ein Angler auf den einen Fang aus, sagt er, sondern sammle, wie der Walfisch, große Materialmengen an, die erst später gesiebt und in Form gebracht werden. So machten das die großen Filmemacher ja auch. Das Ergebnis sind oft kühne Spiegelbilder, von 1968 zu 1848, zwischen dem „easy-going“ der GIs im Freibad der Jugend und der amerikanischen Protestkultur. Mladen Gladić

Wolfgang Schivelbusch: Die andere Seite. Leben und Forschen zwischen New York und Berlin. Rowohlt, 336 Seiten, 26 Euro.

3. November, Morgenupdate: Der entwurzelte Migrant

Ada ist ein Mädchen zwischen zwei Welten: Die Eltern der jungen Londonerin sind Migranten. Ihr Vater Kostas ist Grieche, seine verstorbene Frau Defne war Türkin. Die Liebenden fanden einst heimlich unter dem schützenden Dach eines Feigenbaums zueinander, überwanden ethnische und religiöse Gegensätze. In Elif Shafaks „Das Flüstern der Feigenbäume“ nimmt ein Baum Anteil am Schicksal der drei.

Die Schriftstellerin Elif Shafak
Die Schriftstellerin Elif Shafak
Quelle: picture alliance / DPR

Kostas, der den Feigenbaum als Steckling nach Großbritannien schmuggelte und ihn hegt und pflegt, als sei er ein Mensch, kann den Tod seiner Frau nicht verwinden. Ada leidet unter der Sprachlosigkeit des Vaters. Keineswegs sprachlos oder „gewöhnlich“ ist die Feige, Ficus carica. Sie kann denken und fühlen. Als sich Kostas daranmacht, die Feige einzugraben, um sie vor dem Winter und dem nahenden Sturm „Hera“ zu schützen, entfaltet der Baum seine Erzählung: von einer geteilten Stadt, von Liebenden, von Besatzung und Krieg.

Die Feige ist eine Verbindung in die Vergangenheit, in der sie noch immer wurzelt – jedenfalls ein Teil von ihr. So gelingt ihr das Kunststück, mit sich identisch und doch nicht dieselbe zu sein. Elif Shafak schafft eine originelle Aktualisierung der Trope vom Migranten, der entwurzelt ist; sie erzählt von großen Gefühlen. Dass das märchenhafte Bäumchen und Shafaks Erzählung an der Grenze zum Kitsch schrammen, kann man daher verzeihen. Marlen Hobrack

Elif Shafak: Das Flüstern der Feigenbäume. Aus d. Engl. v. Michaela Grabinger. Kein & Aber, 448 Seiten, 25 Euro.

2. November, Mittagsupdate: Mann oder Frau? Nein, Adel!

Gender Trouble im 18. Jahrhundert: Der Chevalier d’Éon, Titelfigur in Irene Disches Roman „Die militante Madonna“, hat ein weitgefächertes Betätigungsfeld. Er verdingt sich als Diplomat und Spion an den Höfen Europas, kämpft als Soldat, versucht sich als Freimaurer, Glücksjäger und Memoirenschreiber. Und häufig trägt er dabei Frauenkleider.

Irene Dische, deutsch-amerikanische Schriftstellerin
Irene Dische, deutsch-amerikanische Schriftstellerin
Quelle: picture alliance / Karlheinz Schindler/dpa-Zentralbild/ZB

Fast die gesamte zweite Lebenshälfte verbringt d’Éon als Chevalière in elegantem Damen-Outfit, was ihn – beziehungsweise sie – nicht davon abhält, sich mit konventionell gekleideten Männern im Degenfechten zu messen und zu siegen. Das klingt zunächst nach dem Versuch, eine heutige Debatte in ein historisches Kostüm zu zwängen und das heiß diskutierte Gendersternchen mit ein paar Spätrokoko-Schnörkeln aufzuhübschen. Doch erstens hat es den Chevalier d’Éon (1728-1810) tatsächlich gegeben. Zweitens ist Disches geistreich-witziges, manchmal ein wenig halsbrecherisch plotgetriebenes Porträt mit kleinen Invektiven gegen die Fortschrittsselbstgewissheit der Gegenwart gespickt.

D’Éon wendet sich an seine Leser aus dem „bauchnabelbeschaulichen Jahrhundert“, um sie zu ermahnen, „nicht arrogant zu glauben, Sie hätten die Freiheit erfunden, ein Mann oder eine Frau zu sein“. Probleme mit dem richtigen Pronomen stellen sich im Roman nicht. Wenn man d’Éon gefragt hätte, welchem Geschlecht er sich denn nun zurechne, hätte er wahrscheinlich spöttisch die Braue gehoben und gesagt: „einem adligen“. Marianna Lieder

Irene Dische. Die militante Madonna. A. d. Englischen v. Ulrich Blumenbach. Hoffmann und Campe. 218 Seiten, 22 Euro.

1. November, Morgenupdate: Endlich Hegel verstehen!

In seinem Hegel-Lektüre-Buch „Im Geiste des Vertrauens“ wirbt der amerikanische Philosoph Robert Brandom für eine „neue Art von selbstbewusster Subjektivität“, in der wir uns alle durch die uns bedingenden Normen verbunden sehen können, um im „Geiste des Vertauens“ in „Geständnis- und Verzeihungseinstellungen“ zueinander, eine neue, postmoderne Welt zu erschaffen. Den Begriff des Vertrauens entlehnt er dem erkenntnistheoretischen Hauptwerk des spätaufklärerischen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der „Phänomenologie des Geistes“. In dieser hatte Hegel zeigen wollen, dass das was wir als objektive und von unserer eigenen Existenz unabhängige Wirklichkeit verstehen, eigentlich „Produkt unserer eigenen sozialen Praktiken ist“.

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Wir können die Welt also verstehen, in dem wir verstehen, dass wir es sind, die sie gemacht haben – und nicht ein von uns unabhängiges Wesen. Auf der anderen Seite bedeutet es für Hegel, dass unsere Erfahrung mit der Welt immer innerhalb eines gesellschaftlichen und geschichtlichen Zusammenhangs vermittelt bleibt. Brandom interessiert, wie das den „begrifflichen Inhalt“ des Denkens bedingt.

Wie objektiv ist die Wirklichkeit? G.W.F. Hegell
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Quelle: picture alliance / imageBROKER

Die bestechende Klarheit Brandoms macht dieses Buch zu einer wertvollen Quelle im Verständnis einiger Gedankens Hegels, die in dem oft chaotischen Original schwer zugänglich sind. Brandom insistiert auf einen pragmatischen Umgang mit der Thematik der Erinnerung und die abgründige Poesie der Sprache Hegels, die oft etwas ganz Unpragmatisches hat, wird hier zum besseren Verständnis, ohne Rücksicht auf Verluste, zusammengekürzt, obwohl dieses Werk mit seinen 1200 Seiten gut drei Mal so lang ist wie das Original. Charlotte Szász

Robert B. Brandom: Im Geiste der Vertrauens Eine Lektüre der „Phänomenologie des Geistes“. Aus dem Amerikanischen von Sebastian Koth und Aaron Shoichet. Suhrkamp, 1196 Seiten, 62 Euro.

29. Oktober, Mittags-Update: Lohnt sich das neue Buch von Harald Welzer?

Harald Welzer ist Soziologe/Publizist und auf die Bestsellerliste abonniert. Sein neues Buch „Nachruf auf mich selbst. Die Kultur des Aufhörens“ (S. Fischer, 288 Seiten 22 Euro) steht in den Top Ten der Sachbuchcharts. Aber lohnt es sich auch? Sechs schnelle Fragen und Antworten in unserem Bücher-Smalltalk.

Frage: Moment, „Nachruf auf mich selbst“?

Buch-Auskenner: Klingt egozentriert? Stimmt, hätte man Harald Welzer, dem sorgenzerfurchten Meisterdenker des Anthropozäns, nicht unbedingt zugetraut.

Frage: Also ist das einfach eitel?

Buch-Auskenner: Ach, solche „Nachrufe“ gibt es viele, das ist so ein Doomsday-Trend, wobei der „Nachruf auf Ludwig Marcuse“ von Ludwig Marcuse, der 1969 erschien, wirklich charmant war.

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Der Philosoph, Kulturkritiker und Publizist Ludwig Marcuse, aufgenommen 1969. Der streitbare Humanist, der 1945 Professor für Germanistik und Philosophie an der Universität von Los Angeles wurde, lebt seit 1962 als freier Schriftsteller in Bad Wiessee in Oberbayern.
Ludwig Marcuse

Welzer eitel? Die Cover-Inzenierung als geläuterter Schmerzensmann, der vor aller Augen mit sich und seinen Gewissheiten bricht, spricht zumindest nicht dagegen!

Das neue Buch von Harald Welzer
Das neue Buch von Harald Welzer
Quelle: fischer vaerlag

Frage: Also geht es um den alten weißen Mann als solchen?

Buch-Auskenner: Das würde Welzer bestreiten. Ihm zufolge zeigt er Möglichkeiten, das Leben „durch Weglassen und Aufhören besser zu machen“.

Frage: Also doch: Askese, Selbstgeißelung, Verzichtsromantik?

Buch-Auskenner: Welzer würde sagen: „Man muss rechtzeitig einen Nachruf auf sich selbst schreiben, damit man weiß, wie man gelebt haben will.“

Der Soziologe Harald Welzer, Direktor von Futurzwei - Stiftung Zukunftsfähigkeit und Professor für Transformationsdesign an der Universität Flensburg, liest und diskutiert auf der 7. phil.cologne, dem grössten deutschen Philosophie Festival.
Plädiert fürs Aufhören: Harald Welzer
Quelle: picture alliance/dpa

Frage: Moment, das klingt doch wie dieser Spruch auf Aufklebern in den Achtzigern! „Erst wenn ...

Buch-Auskenner: ... der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

Frage: Also recycelte Konsumkritik und intellektuelles Teetrinkertum? Soll ich das Buch gar nicht erst anfangen, sondern schnell, na ja, aufhören?

Buch-Auskenner: Das nun auch wieder nicht. Welzers Feststellung, dass unsere Kultur kein Konzept des Aufhörens hat, ist schon diskussionswürdig, auch wenn man sich fragt, welche Kultur diesen Grundgedanken gesellschaftlich je verankert hat – wäre ja ein existenzieller Widerspruch zum Leben an sich.

28. Oktober, Mittags-Update: Das neue Buch von Timur Vermes

Seine Romansatire „Er ist wieder da“ von 2012 basierte auf der Idee, dass Adolf Hitler im Jahr 2011 auf einer Wiese mitten in Berlin erwacht. Der Mega-Erfolg (1,4 Millionen verkaufte Bücher, in 41 Sprachen übersetzt) wurde später auch fürs Kino verfilmt. 2018 erschien, wieder an ein kollektives Trauma der Deutschen anknüpfend, der zweite Roman von Timur Vermes, „Die Hungrigen und die Satten“ – eine Groteske über die Flüchtlingskrise 2015, Grenzschließungen und politische Zwickmühlen.

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Nun ist das dritte Buch da, ein klaustrophobisches Kammerspiel im Setting einer abendlich-verwaisten U-Bahn. Man denkt sofort an Dürrenmatts Kurzgeschichte „Der Tunnel“, wobei Vermes die Klaviatur eines Horrorszenarios virtuos bespielt. Der dramatische Plot wird von elliptischen Dialogen und inneren Monologen vorangetrieben, ist bis in Grammatik und Schriftbild hinein irgendwas zwischen Comic-Anleihen und Bewusstseinsstrom (Schnitzlers Albtraumnovelle?). Die Fantasie beim Lesen changiert zwischen versteckter Kamera ohne Auflösung und M.C. Escher als U-Bahnhofarchitekt

Timur Vermes
Timur Vermes
Quelle: picture alliance / Frank May

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Timur Vermes liefert einen Handstreich ab, eine unterhaltsame Horrorgenreskizze, die Lust auf mehr macht. Denn episch lang wird’s nicht. Was an Vermes gefällt, sind sein Sprachwitz und Formwille. Und bitte fragen Sie jetzt nicht: Taucht er, also „er“ aus „Er ist wieder da“, eigentlich auch irgendwo im Untergrund auf? Marc Reichwein

Timur Vermes: U. Piper, 160 Seiten, 15 Euro.

27. Oktober, Mittags-Update: Zu wenig Schriftstellerinnen im Literaturarchiv

In den letzten Jahren sind auffällig viele Werke von Schriftstellerinnen entdeckt oder wiederentdeckt und auf dem internationalen Buchmarkt präsentiert worden, zwei aktuelle Beispiele sind der Roman „Die Unzertrennlichen“ von Simone de Beauvoir und die „Tage- und Notizbücher“ von Patricia Highsmith. Wie sieht die Lage in der deutschsprachigen Literatur aus, was wird hier entdeckt? Fragen an die Literaturwissenschaftlerin Sandra Richter, Jahrgang 1973, die seit rund zwei Jahren das Deutsche Literaturarchiv (DLA) in Marbach leitet.

Sandra Richter
Sandra Richter, Leiterin des Marbacher Literaturarchivs
Quelle: dpa-infocom GmbH

WELT: Bisher ist der Boom, vergessene, übersehene Werke von Schriftstellerinnen herauszubringen, vor allem im Ausland zu beobachten. Wie ist die Lage in Deutschland – welche Schätze von Schriftstellerinnen warten in Marbach darauf, gehoben zu werden?

Sandra Richter: Zurzeit beeindrucken mich beispielsweise Anna Behrs umfangreiche Sammlung „Frauen. Lyrik. Gedichte in deutscher Sprache“ und das Engagement der Droste-Forschungsstelle für eine eigenwillige und kundige Autorin, die in der Öffentlichkeit, glaube ich, gegenwärtiger sein sollte. Im Deutschen Literaturarchiv Marbach haben wir zuletzt den neu eingegangenen Nachlass der deutsch-britischen Journalistin und Schriftstellerin Gabriele Tergit gezeigt, die Kriminalreportagen, Zeitromane, Geschichten über Berlin und das Exil geschrieben hat.

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Und der Nachlass der Dramatikerin Gerlind Reinshagen, die schon aufgrund ihres Stücks „Sonntagskinder“ von 1976 lange als bedeutende Bühnenautorin der Bundesrepublik galt, wäre überhaupt erst zu entdecken. Genauso die Nachlässe der DDR-Autorin und Feministin Irmtraud Morgner, deren ironische Mittelalter-Romane mich seit Jahrzehnten faszinieren, oder der Deutsch-Isländerin Helga M. Novak, von Wolf Biermann als „größte Dichterin der DDR“ gepriesen. Alles nur Beispiele, es gibt noch viel mehr.

WELT: Im Fall von Highsmith wurden die Tagebücher nach ihrem Tod in ihrem Haus in der Schweiz gefunden, de Beauvoirs „Die Unzertrennlichen“ blieben, solange sie lebte, in der Schublade, bis ihre Adoptivtochter Sylvie Le Bon sich entschloss, sie zu veröffentlichen. Inwiefern sind solche Veröffentlichungen aus dem Nachlass problematisch, wie geht man zum Beispiel mit der Kommentierung um? Bei de Beauvoir handelt es sich um einen autofiktionalen Roman über lesbische Liebe, aus Highsmiths Tagebüchern lassen sich auch ihre Ressentiments herauslesen ...

Richter: Nachlässe vermitteln Persönlichkeitsbilder – von Frauen wie von Männern: Manche sortieren ihren Nachlass sorgsam, tilgen Peinliches und Verletzendes, bevor der Bestand ins Archiv geht. Andere archivieren sich sorgsam selbst, sammeln intensiv und beschäftigen vielleicht sogar eine archivarische Arbeitskraft. Und bei den nächsten setzen sich Außenstehende dafür ein, dass überhaupt etwas ins Archiv kommt; so hat etwa Hannah Arendt für die Überlieferung von Karl Jaspers und Martin Heidegger gesorgt, indem sie den Kontakt zum Deutschen Literaturarchiv vermittelt hat. Bei allen Veröffentlichungen – auch aus Nachlässen – gilt es grundsätzlich, die Persönlichkeitsrechte zu wahren.

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WELT: Woran liegt es, dass so viele Schriftstellerinnen neu entdeckt werden? Sind sie bislang übergangen worden oder spielt hier historisch eine andere Verwaltung von Nachlässen von Frauen eine Rolle?

Richter: Knapp 15 Prozent der literarischen Vor- und Nachlässe im Deutschen Literaturarchiv Marbach stammen von Autorinnen, in der Philosophie knapp sieben. Die Zahlen dokumentieren ein seit etwa 1750 währendes Ungleichgewicht. Frauen haben aber seit der neuen Frauenbewegung, also seit Alice Schwarzers Kampagne „Ich habe abgetrieben“ von 1971, auch für ihre eigene Entdeckung und Archivierung gesorgt: In den 1970er-Jahren öffneten Frauenbuchläden, Verlage wie Fischer oder Rowohlt brachten Reihen wie „Die Frau in der Gesellschaft“ oder „Die neue Frau“ heraus, 1984 entstand das Archiv der deutschen Frauenbewegung in Kassel, 1994 der Frauen-Media-Turm Köln. Es gilt, diese unterschiedlichen Archive zusammenzudenken – für eine Literatur- und Ideengeschichte, in der das Geschlecht kein Diskriminierungsgrund ist.

WELT: Die Autorin Nicole Seifert hat kürzlich in ihrem Buch „Frauenliteratur“ argumentiert, dass Literatur von Frauen quer durch die Geschichte abgewertet wurde, mit dem Ergebnis, dass sie in der Schule, im Kanon und in Literaturgeschichten kaum vorkommt, und das nach wie vor. Wie sehen Sie das, bezogen auf die deutschsprachige Literatur?

Richter: Mit ihrem Buch steht Nicole Seifert in einer langen Tradition. Sie begann mit Silvia Bovenschens Dissertation „Die imaginierte Weiblichkeit“, dokumentierte sich 1985 in dem Buch „Frauen – Literatur – Geschichte“ von Hiltrud Gnüg und Renate Möhrmann, schlug sich institutionell in der Gründung der Hamburger Arbeitsstelle für feministische Literaturwissenschaft und in einschlägigen Denominationen von Professuren nieder. Wenn Frauen in Literaturbetrieb und Wissenschaft heute weniger repräsentiert sind als Männer, dann fragt sich, warum das so ist, ob eine inzwischen jahrzehntelange Politik zu wenig geholfen hat, ob es tatsächlich noch mehr Zeit braucht.

Ein erster Schritt zu einer Antwort könnte sein, die neue Frauenbewegung nach Versäumnissen und ungenutzten Entwicklungschancen zu fragen – ausgehend etwa, sagen wir, vom Nachlass von Silvia Bovenschen, der im DLA liegt. Ein zweiter Schritt müsste, natürlich, auch aus den Archiven herausführen. Zu Schriftstellerinnen und Schriftstellern, Kritikerinnen und Kritikern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Gegenwart, und spezifische Themen ansprechen: Gibt es in der Literatur einen „Kinderknick“, der die Karriere von Autorinnen schwächt? Werden sie weniger unterstützt als Männer? Inzwischen haben wir jedenfalls viele gute Beispiele, um Antworten auf diese Fragen zu finden.

Die Fragen stellte Mara Delius.

26. Oktober, Abendupdate: Ariadne von Schirach empfiehlt Seneca

Welches Buch hat dich verändert? Darum geht es in unserer Video-Reihe „Bücher fürs Leben“. Darin erzählen Schriftsteller, Intellektuelle und andere spannende Personen über ein Buch, das sie besonders geprägt hat – und welche Erinnerung sie damit verbinden.

„Das Leben ist kurz“ des römischen Philosophen Seneca (Im Original: „De brevitate vitae“, in manchen Versionen auf Deutsch auch „Von der Kürze des Lebens“) gehört zu den Lieblingsbüchern der Schriftstellerin Ariadne von Schirach. Warum das Werk immer noch gegenwärtig ist und warum es gut tut, zu sehen, dass die alten Römer dieselben Probleme hatten wie wir, erklärt sie im Video.

LiterarischeWELT/Senecas „Das Leben ist kurz“ – „Es ist unglaublich gegenwärtig“

„Das Leben ist kurz“ des römischen Philosophen Seneca gehört zu den Lieblingsbüchern der Schriftstellerin Ariadne von Schirach. Warum das Werk immer noch gegenwärtig ist und warum es gut tut, zu sehen, dass die alten Römer die selben Probleme hatten wie wir, erklärt sie im Video.

Quelle: WELT

Erst kürzlich hat Ariadne von Schirach „Glücksversuche. Von der Kunst, mit der Seele zu sprechen“ veröffentlicht. Darin beschreibt sie in 80 kurzen Kapiteln, was uns glücklich macht. Es ist kein Selbstoptimierungsbuch, sondern liefert Weisheiten für den Alltag und das große Ganze.

26. Oktober, Morgenupdate: Das Comeback des Fortsetzungsromans

Der vorletzte Roman Salman Rushdies hieß „Quichotte“, erschien 2019 beim Verlag Random House, war 396 Seiten stark und kostete in der Hardcover-Ausgabe 28 Dollar. Der neueste Roman Rushdies heißt „The Seventh Wave“, erscheint auf der Newsletter-Plattform Substack, soll 35.000 Wörter umfassen und kostet ein wenig mehr. Für sechs Dollar monatlich oder 60 für ein ganzes Jahr erhält man jede Woche eine neue Folge von Rushdies Geschichte, die im Stil der Nouvelle Vague von einem Filmregisseur und einer Schauspielerin/Muse handelt.

Sein neuester Roman ist ein Newsletter: Salman Rushdie
Sein neuester Roman ist ein Newsletter: Salman Rushdie
Quelle: AFP

Ökonomisch betrachtet, ist das für Leser ein schlechter Deal. Sie erhalten zwar einen echten Rushdie, aber bloß häppchenweise. Und müssen dafür mehr bezahlen als für ein nach bewährten Regeln der Branche produziertes Buch. Das allerdings ist ein kleinliches Argument. Denn zusätzlich zum Text abonnieren die „Seventh Wave“-Leser das Gefühl, Zeugen einer literarischen Revolution zu werden. Schließlich ist Rushdie ein weltweit bekannter Alpha-Schriftsteller, der sich dafür entschieden hat, Verleger, Lektoren, PR-Leute und Buchhändler zu umgehen, um den Weg zum Leser radikal zu verkürzen. Ihn zu lesen bedeutet fortan, alle paar Tage eine E-Mail von ihm zu bekommen.

Selbstverständlich ist Rushdie nicht der erste Literat, der damit experimentiert, die Apparate abzuschütteln, die es braucht, um Texte zu veröffentlichen. Mittlerweile existieren funktionierende Selfpublishing-Plattformen oder Lyrik, die höchst erfolgreich auf Instagram stattfindet. Auch renommierte Autoren entscheiden sich dafür, zusätzlich zu traditionell veröffentlichten Werken Produkte für die digitale Sphäre zu schaffen – Stephen King etwa mit seiner Erzählung „Achterbahn“ oder in Deutschland „Abfall für alle“ von Rainald Goetz, das zuerst im Netz und erst danach bei Suhrkamp erschien.

Doch mit Rushdie ist es noch einmal etwas anderes. Er ist ein Star, der es nicht mehr nötig hat, Reputationsmanagement zu betreiben oder zusätzliche Erwerbsquellen aufzutun und dem verlässlich Wohlwollen zuteilwird, auch wenn nicht mehr jedes seiner Bücher euphorisch besprochen wird. Deswegen war die Nachricht von seinem Newsletter-Roman so elektrisierend. Ist das eine Entmachtung der Branche? Eine Revolution des literarischen Veröffentlichens?

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Anstifter der Attacke ist die kalifornische Newsletter-Plattform Substack, 2017 gegründet und seitdem mit immens viel Venture Capital gemästet – zuletzt wurden Ende März 65 Millionen Dollar nachgeschossen. Das Geschäftsmodell: Von jedem Abonnement erhält Substack einen Anteil von zehn Prozent, der Rest bleibt, wie auch die Urheberrechte, bei den Newsletter-Autoren. Auf den ersten Blick wirkt das weder aufregend noch neu. Newsletter gibt es schon lange, und wenn es um Werte wie Glamour, Coolness, Innovativität geht, haben sie nichts zu bieten. In der Regel sind sie reiner Text – das ist ein Grund für ihre Beliebtheit: Für Netzverhältnisse sind sie bemerkenswert nicht-invasiv.

Dass Substack zum Hype wurde, liegt an der offensiven Akquise des Unternehmens. Es wirbt gezielt um Autoren, die auf Twitter erfolgreich sind, also bewiesen haben, dass sie es verstehen, sich selbst bekannt zu machen. Und es hilft der Entscheidungsfindung nach, indem es manchen Autoren immense Vorschüsse bezahlt – dem Kunstkritiker Jerry Saltz vom „New York Magazine“ sollen 250.000 Dollar angeboten worden sein, um bei Substack anzufangen. Wer sie annimmt, bekommt ein Jahr lang statt 90 nur zehn Prozent der Abo-Einnahmen, aber zwölf Monate lang Zeit, ohne finanzielle Nöte etwas Neues und Eigenes aufzubauen. In einer medialen Umwelt, in der ständig Arbeitsplätze verloren gehen und niemand weiß, ob er nicht eines unbedachten Tweets wegen gekündigt wird, ist das ein hervorragendes Argument.

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So kommt es, dass mittlerweile erstaunlich viele bekannte Kommentatoren wie Glenn Greenwald, Andrew Sullivan oder Bari Weiss bei Substack veröffentlichen statt in den Zeitungen und Magazinen, die früher für ihre Texte bezahlten. Kritik, dass Substack auch besonders umstrittene Autoren einsammelt, beantwortet das Unternehmen mit dem Hinweis, es sei bloß eine Plattform, auf der Menschen mit sehr diversen Identitäten und Ansichten publizieren.

Wie auch immer: Es gibt jede Menge bekannter Autoren, die mit Substack-Newslettern um ein Vielfaches mehr verdienen als in der Medienbranche. Und noch mehr unbekannte Talente, die ihnen nacheifern. Dabei ist absehbar, dass der Goldrausch irgendwann zu Ende geht. Schließlich hat der durchschnittliche Leser nicht unbedingt das Budget, monatlich für sieben oder acht Newsletter zu bezahlen, auch arbeiten Facebook und Twitter an konkurrierenden Newsletter-Plattformen.

Salman Rushdie selbst ist viel zu abgeklärt für großsprecherische Behauptungen. Für ihn ist sein Newsletter-Roman ein interessantes Experiment, für das er sich zwölf Monate Zeit nehmen will. Dass „The Seventh Wave“ innovativ sei, hat er nie behauptet. Schließlich weiß er selbst, dass er mit seinem Roman ironischerweise an einen Ort zurückkehrt, an dem Romane schon einmal waren. Die „Pickwick Papers“, „Sherlock Holmes“, „Madame Bovary“, „Anna Karenina“ – sie alle wurden zuerst als Fortsetzungsgeschichten veröffentlicht. Durchaus möglich, dass Rushdie sich lieber an der Vergangenheit als an der Zukunft messen will. Peter Praschl

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