Al-Rayyan. Nach dem 3:1-Sieg über die USA war Niederlandes Nationaltrainer Louis van Gaal nicht komplett zufrieden mit dem Spiel seines Teams.

Louis van Gaal ist schon lange ein Mann der Widersprüche, ein Fußballtrainer, der ständig für irgendwelche Überraschungen sorgt. Er sagt unerwartete Dinge, trifft erstaunliche Personalentscheidungen, auch seine Spieler haben also gute Gründe, sich vor den Einfällen des Altmeisters zu fürchten. Nach dem 3:1 (2:0)-Sieg der Niederländer über die USA am Samstag, nachdem die Elftal als erster Viertelfinalteilnehmer dieser Weltmeisterschaft feststeht, bekam Denzel Dumfries, der Held des Abends, das zu spüren. Der angriffslustige Rechtsverteidiger saß gemeinsam mit seinem 71 Jahre alten Trainer auf dem Podium der Pressekonferenz und als van Gaal nach der Leistung seines Spielers gefragt wurde, sagte er: „Ich gebe ihm einen dicken Kuss.“ Und er schritt zur Tat.

Das war eine Antwort, die etwas schräg sein mag, aber sie passte hervorragend. Dumfries hatte das 1:0 sowie das 2:0 vorbereitet und das 3:1 selbst geschossen, selbstverständlich wurde er zum „Spieler des Spiels“ gekürt. Van Gaal war höchst zufrieden mit dem 26 Jahre alten Flügelspieler von Inter Mailand. Zugleich war er jedoch erfüllt von widersprüchlichen Gefühlen. Denn das Spiel seiner Mannschaft hatte ihm lange Zeit weniger gut gefallen. „Wir haben sehr gelitten in der ersten Halbzeit, das ist nicht akzeptabel bei einer WM“, zürnte er über den Auftritt vor der Pause. So eine Leistung könne man sich „gegen die Topnationen nicht leisten.“ Also ab dem Viertelfinale am kommenden Freitag (20 Uhr).

Louis van Gaal ist begeistert über die drei niederländischen Treffer

Im Achtelfinale am Samstag hatten beide Teams in vielen Phasen seltsam matt und müde gewirkt, aber die Niederländer beherrschten den Faktor, der im Fußball so oft über Sieg und Niederlage entscheidet: die Momente. Sie zauberten drei Spielzüge auf den Rasen, die van Gaal bei allem Ärger geradezu entzückten. „Das waren fantastische Tore, das war Schönheit“, sagte er und hob ganz besonders den ersten Treffer hervor, als die Niederländer einen brillanten Spielzug auf den Rasen malten, den ein Lehrbuch für niederländischen Traumfußball kaum besser hätte präsentieren können.

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Eine Kombination aus der eigenen Hälfte heraus erreichte irgendwann den rechten Flügel, von wo Dumfries ins Zentrum zu Memphis Depay im Rücken der Abwehr passte, der den Ball präzise ins Tor schob (10.). „An diesem Tor sieht man alle Facetten unseres Spiels: Wie wir die Räume nutzen, wie wir die Seiten wechseln“, sagte Dumfries. „Am Ende sieht man hier den Kern des Systems.“ Die Flügel schlagen wieder bei den Holländern, was ein zentraler Wesenszug des alten „Total Football“ aus der Zeit des Johan Cruyff ist, der immer noch das Ideal für holländische Ästheten darstellt. Als der rechte Flügelspieler Dumfries auch noch das 2:0 des linken Flügelspielers Daley Blind (45.+1) aufgelegt hatte, war das Glück fast perfekt.

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Dem Amerikaner Haji Wright gelang zwar noch das Ausgleichstor zum zwischenzeitlichen 2:1 (76.), bevor Dumfries selbst das Spiel mit seinem 3:1 (81.) entschied. Der Held des Abends hatte seine Landsleute schon bei der Europameisterschaft vor eineinhalb Jahre begeistert, im Anschluss war er von der PSV Eindhoven zu Inter Mailand gewechselt. Und dennoch muss diese Mannschaft fußballerisch wohl noch ein paar Fortschritte machen, um das Ziel zu erreichen, das die Niederländer anstreben. „Wir können Weltmeister werden“, sagte van Gaal wie schon so oft in diesen Tagen von Doha auch an diesem ersten Achtelfinal-Tag noch einmal, aber bislang haben sie nur gegen Katar, Senegal, Ecuador und die USA gespielt und damit auch von einer günstigen Auslosung profitiert.

Kauz van Gaal ist alles zuzutrauen

Aber van Gaal ist immer noch der alte Kauz, dem irgendwie fast alles zuzutrauen ist. Ein Typ, der sein Publikum mit seinen ganz speziellen Ansichten unterhält, von denen nie so ganz klar ist, wie ernst er sie meint. Aber wahrscheinlich ist er tatsächlich von den meisten Dingen überzeugt, die er so erzählt in Interviews und Pressekonferenzen. Er sei der beste der 32-WM-Trainer, hat er beispielsweise vor dem Eröffnungsspiel gesagt, und deshalb sei sein Team auch besser aus der nur einwöchigen Vorbereitung auf dieses Turnier herauskommen als alle Konkurrenten. Man kann von diesem Mann halten, was man will, aber die Ergebnisse geben van Gaal wieder einmal Recht.