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„Leipziger Erklärung“: Neues Linken-Papier ist ein Warnschuss an Sahra Wagenknecht
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Die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht.
Britta Pedersen/dpa Die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht.
  • FOCUS-Magazin-Reporterin

Die Bundes- und die Landesspitzen der Partei die Linke verabschieden ein gemeinsames Papier. Ohne sie namentlich zu nennen, liest sich die „Leipziger Erklärung“ wie ein offener Brief an ihr prominentestes und umstrittenstes Parteimitglied – Sahra Wagenknecht.

Dieses Papier hat es in sich. „Wir sind bereit, für unsere gemeinsame Partei zu kämpfen“, heißt es gleich im ersten Absatz der Leipziger Erklärung, die Linke-Spitzenpolitiker an diesem Sonnabend verabschiedet haben. Der gut dreiseitige Text, der FOCUS online vorliegt, richtet sich offiziell an die Parteibasis. Tatsächlich jedoch warnt er Sahra Wagenknecht und deren Unterstützerkreis, es nicht zu weit zu treiben. Der prominenten 53-Jährigen wird seit längerem nachgesagt, die Partei spalten zu wollen und mit einer auf sie zugeschnittenen Parteineugründung der Linken zeitnah den Todesstoß verpassen zu wollen. Dem wollen ihre innerparteilichen Gegner etwas entgegensetzen.

Sahra Wagenknecht stellt immer wieder die Neugründung einer Partei in den Raum.
Kay Nietfeld/dpa Sahra Wagenknecht stellt immer wieder die Neugründung einer Partei in den Raum.

Linken-Spitze: „Konflikte münden in zerstörerischem Gegeneinander"

Eine geeinte Linke „als plurale sozialistische Partei“, heißt es in Anspielung auf die Parteigründung aus PDS und WASG vor fünfzehn Jahren, sei eine historische Errungenschaft. Heute sei diese in Gefahr. „In der Öffentlichkeit wird sogar über die Bildung eines alternativen Parteiprojekts spekuliert.“ Schließlich: „Unsere Konflikte münden aktuell in einem zerstörerischen Gegeneinander.“

Tatsächlich bietet die Linke ein Bild der Zerstrittenheit und gegensätzlicher Antworten. Der Partei laufen die Mitglieder weg. Von knapp 80.000 im Jahr 2009 sind heute nur noch 60.000 übrig. In den Umfragen liegt die Linke wie festgetackert bei fünf Prozent. Und bundespolitisch bietet sich ein Bild von Zoff und Streit. Sahra Wagenknecht, die prominenteste Abgeordnete, spricht quer zur Partei- und Fraktionslinie von den Sanktionen gegen Russland als einem „Wirtschaftskrieg“ und bezeichnet die Grünen als „gefährlichste Partei“. Das trägt der Linken zwar den Applaus der AfD-Anhänger ein, bringt ihr aber keine Stimmen.

Um die Erklärung zu diskutieren und zu verabschieden, haben sich an diesem Sonnabend in Leipzig Vertreter des Parteivorstandes, des Bundesausschusses und die Landes- und Fraktionschefs aller Länder getroffen. Vor dem Beginn des Jahres 2023 mit fünf Landtagswahlen will man der Basis zu verstehen geben: Nicht Wagenknecht und ihre Gefolgsleute geben den Takt vor, sondern wir.

Neuer Parteivorsitzender laut Wagenknecht eine „Fehlbesetzung“

Ob dieser Plan aufgeht, ist fraglich. Der neue Parteivorsitzende Martin Schirdewahn – laut Wagenknecht eine „Fehlbesetzung“ – sagt, es sei Zeit für ein grundlegendes Umsteuern. Und seine Cochefin Janine Wissler lädt alle ein, gemeinsam aktiv zu werden. Das geht vor allem an Sahra Wagenknecht und ihren Ehemann Oskar Lafontaine.

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Tatsächlich schwelen seit Monaten Gerüchte, Sahra Wagenknecht wolle mit einigen Gefolgsleuten die Bundestagsfraktion verlassen und eine neue Partei gründen. Mal heißt es, bis Ende des Jahres werde der Bruch vollzogen. Dann wieder, gleich im Januar sei mit der Neugründung zu rechnen. Schließlich: Wagenknecht und Co. würden ihre Abspaltung kurz vor der Hessenwahl im Herbst bekannt geben, um bei dieser Gelegenheit der Landespartei der Linke-Bundesvorsitzenden Janine Wissler zu schaden. Gleich danach, Im Frühjahr 2024, könne man zur Europawahl antreten, dort wegen der fehlenden Fünfprozenthürde Mandate erringen und – derart gestärkt - Richtung Bundestagswahl 2025 aufbrechen.

Wagenknecht selbst kokettiert bereits öffentlich mit einer Neugründung. Der ARD sagte sie Anfang Dezember: „Eine vernünftige Partei für Frieden und Gerechtigkeit halte ich für dringend notwendig. Die Linke hat diesen Platz leider weitgehend geräumt. Auch deshalb ist es aktuell vor allem die AfD, die von der zunehmenden Unzufriedenheit profitiert.“

Wagenknecht versuchte sich schon einmal an einer Partei-Neugründung

Wie schwer eine Neugründung konkret umzusetzen ist, musste Wagenknecht 2018 erfahren. Zu dieser Zeit war sie zwar Chefin der Linke-Fraktion im Bundestag. Das hinderte sie aber nicht, mit der politischen Organisation Aufstehen! eine Art Konkurrenzbewegung zu gründen. Über ein paar viral gegangene Werbeclips und einige Demos mit nur wenigen hundert Teilnehmenden kam die Bewegung jedoch nie hinaus. Bereits im März 2019, ein halbes Jahr nach Gründung, zog sich Gründerin Sahra Wagenknecht von Aufstehen! zurück. Begründung: Burnout.

Heute sagt sie gerne, Aufstehen! sei einfach schlecht vorbereitet worden. Diesmal könnte das anders laufen. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA würden zehn Prozent der Wahlberechtigten eine Wagenknecht-Partei wählen. Dreißig Prozent könnten sich das zumindest vorstellen.  Fakt ist, dass durch einen Auszug von nur vier der 39 Abgeordneten die Linke den Fraktionsstatus verlöre. Das Papier der Parteispitze klingt denn auch wie eine Warnung an die Wagenknechtler im Bundestag: In der aktuellen friedens- und wirtschaftspolitischen Situation „reicht es nicht, bei der Opposition gegen den Neoliberalismus stehenzubleiben“.

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