Verharmlosung des Ukraine-Kriegs: YouTube sperrt 70.000 Videos und 9000 Kanäle

Die Videoplattform setzt eine Richtlinie zu Gewaltereignissen um: Tausende Videos und Kanäle sind inzwischen blockiert, weil sie den Ukraine-Krieg beschönigen.

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(Bild: FellowNeko / Shutterstock.com)

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Die Videoplattform YouTube hat mittlerweile mehr als 70.000 Videos und mehr als 9000 Kanäle mit Bezug zu Russlands Krieg in der Ukraine gesperrt, weil sie die Richtlinien der Plattform zu Gewaltereignissen verstoßen haben. Darunter befinden sich Videos, die den Krieg im Sinne der Kreml-Sichtweise als "Befreiungsmission" bezeichneten. Der Umfang der Löschungen sei für das Unternehmen beispiellos, berichtet der britische Guardian.

Seit dem Einmarsch der russischen Armee ins Nachbarland am 24. Februar 2022 geht YouTube gegen verzerrende Darstellungen des Geschehens auf seiner Plattform vor; insbesondere gegen solche, die die Ereignisse im Sinne der Rechtfertigungen der russischen Regierung als "militärische Spezialoperation" oder als "Befreiungsmission" verharmlosen oder den Krieg insgesamt leugnen. Die Videos wurden gelöscht, auch wurden zugehörige Nutzerkonten zeitweise oder dauerhaft gesperrt. Unter den betroffenen Kanälen befinden sich auch solche von Russlands Behörden und Ministerien sowie von Kreml-nahen Journalisten.

Der leitende Produktchef bei YouTube, Neal Mohan, sagte gegenüber dem Guardian, das Unternehmen wende auf die Inhalte zum Ukraine-Krieg die hauseigene Richtlinie zu bedeutenden Gewaltereignissen an. Diese komme beispielsweise bei Beiträgen zum Holocaust oder zum Amoklauf an der Sandy Hook Elementary School in den USA 2012 zum Tragen. Man habe beim Anwenden der Richtlinie auf Beiträge zum Ukraine-Krieg eine beispiellose Menge von Inhalten gesperrt. Mohan lieferte keine Aufstellung darüber, woher die gelöschten 9000 Kanäle stammen, sprach aber von Kanälen, die die Darstellung der russischen Regierung übernommen hätten, sowie von Kreml-nahen Akteuren.

Mohan erwähnt in dem Interview, dass Nachrichten zum Ukraine-Konflikt allein in der Ukraine auf mehr als 40 Millionen Aufrufe kämen. Er sieht das Unternehmen in der Verantwortung, zutreffende, glaubwürdige und hochwertige Auskünfte über das dortige Geschehen zu präsentieren. Der Zugriff auf glaubwürdige Kanäle bei YouTube sei in der Ukraine spürbar gestiegen, aber auch in den Nachbarländern, einschließlich Russland, sagte Mohan. YouTube habe geschätzte 90 Millionen Zuschauer in Russland und wurde bislang nicht gesperrt, hat jedoch das Ausspielen von Werbung dort eingestellt.

Russland hatte erst vor einigen Tagen bekräftigt, YouTube in dem Land nicht sperren zu wollen; auch solle der russische Teil des Internets nicht vom Rest der Welt abgekoppelt werden. Die Social-Media-Dienste Twitter, Instagram und Facebook sind mittlerweile in Russland blockiert. So stufte ein russisches Gericht Facebook als "extremistische Organisation" ein, weil die Plattform nichts gegen Gewaltaufrufe gegen russische Soldaten unternehmen will.

YouTube hat unter anderem den TV-Kanal des russischen Parlaments (Duma) auf seiner Plattform gesperrt; begründet hat der Mutterkonzern Google das in diesem Fall mit US-Sanktionen gegen Russland. YouTube blockiert außerdem die Fernsehsender Russia Today und Sputnik für Nutzer in Europa.

(tiw)