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Ausland Ukraine-Krieg

Nach dem Fall von Mariupol verschärft Russland seine Angriffe im Osten

Ressortleiter Außenpolitik
„Jedes Zugeständnis an Russland würde sofort zu einer Eskalation des Krieges führen“

Im Osten der Ukraine hat Russland in Donezk und Luhansk seine Offensive verstärkt. Das ukrainische Militär erklärte, neun Angriffe seien abgewehrt worden. Der ukrainische Unterhändler Podolyak bekräftigte unterdessen, es werde keinen Waffenstillstand um den Preis territorialer Abtretungen geben.

Quelle: WELT / Antje Diedrichs

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Mariupol ist de facto gefallen. Die russische Armee verstärkt ihre Offensive und die Angriffe auf Sjewjerodonezk weiterhin. Die Armee der Ukraine wirft Russland vor, auf 40 Dörfer in den Gebieten Donezk und Luhansk geschossen zu haben. Ein Überblick.

Nach dem Fall der wichtigen Hafenstadt Mariupol hat Russland seine Offensive im Osten der Ukraine verstärkt. Nach ukrainischen Angaben setzte die russische Armee an der gesamten Frontlinie im Donbass Flugzeuge, Artillerie, Panzer, Raketen, Mörser und Marschflugkörper für Angriffe auf öffentliche Infrastruktur und Wohngebiete ein.

Dabei seien im Bezirk Donezk mindestens sieben Menschen getötet worden. Schwere Kämpfe meldete die Ukraine aus dem Bezirk Luhansk. Das ukrainische Militär erklärte, neun Vorstöße seien abgewehrt worden. Dabei sollen in den vergangenen 24 Stunden fünf Panzer und zehn gepanzerte Fahrzeuge zerstört worden sein. An mehreren Orten hielten Gefechte bis in die Nacht zum Sonntag hinein an.

Kiew: Moskau intensiviert Luftangriffe im ganzen Land

Russland intensiviert nach ukrainischen Angaben seine Luftangriffe in der gesamten Ukraine. Die russische Armee setze „ihre Raketen- und Luftangriffe auf das gesamte Territorium“ fort und habe „die Intensität erhöht“, erklärte der Generalstab der ukrainischen Armee am Sonntag. Demnach setzt Moskau zunehmend die Luftwaffe ein, „um wichtige Infrastrukturen zu zerstören“.

Örtliche ukrainische Behörden bestätigten einen russischen Raketenangriff auf die Ortschaft Malyn westlich von Kiew. Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte am Samstag erklärt, dort mit „hochpräzisen seegestützten Langstreckenwaffen“ eine bedeutende westliche Waffenlieferung zerstört zu haben. Die ukrainischen Behörden sprachen hingegen von Schäden an „ziviler Infrastruktur“. Der Generalstab machte keine Angaben zu einer beschossenen Waffenlieferung.

Kämpfe konzentrieren sich auf Sjewjerodonezk

Wie aus einer Analyse des US-Thinktanks Institute for the Study of War (ISW) hervorgeht, versucht die russische Armee die Großstadt Sjewjerodonezk zu umzingeln. Der Luhansker Gouverneur Serhij Gaidai teilte mit, die russischen Truppen versuchten Sjewjerodonesk zu zerstören. Sjewjerodonesk wird zusammen mit seiner Zwillingsstadt Lysytschansk auf der anderen Seite des Flusses Donez seit Beginn des Krieges von ukrainischen Truppen trotz zahlreicher Angriffe gehalten. Nach Angaben des Gouversneurs zerstörten die Russen am Samstag eine Brücke zwischen beiden Städten.

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Die Stadt mit rund 100.000 Einwohnern war zuletzt das Verwaltungszentrum der Region Luhansk. Zuvor hatte es in der Stadt Luhansk gelegen, das 2014 von prorussischen Separatisten besetzt worden war. Wie der Thinktank ISW weiter berichtete, hat Russland auch seine Truppen außerhalb der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw verstärkt – um ein neuerliches Vordringen der ukrainischen Armee bis zur Grenze zu verhindern.

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Quelle: Infografik WELT

Die Armee der Ukraine warf Russland zudem vor, auf 40 Dörfer in den Gebieten Donezk und Luhansk geschossen zu haben. Dabei seien 13 Häuser beschädigt worden. Ziel sei zudem eine Bahnstation und ein Friedhof gewesen. Im Gebiet Saporischschja im Süden der Ukraine hat die dortige Verwaltung nach eigenen Angaben vermehrt Flüge russischer Drohnen beobachtet.

Das russische Militär habe die Luftaufklärung verstärkt, hieß es. Zudem seien Kolonnen von Militärfahrzeugen gesichtet worden. Saporischschja liegt nordwestlich der inzwischen von Russland eingenommenen ukrainischen Hafenstadt Mariupol. Russland zieht laut ISW-Analayse außerdem Truppen in bestimmten Gegenden der Oblaste Saporischschja und Cherson zusammen. Die russischen Truppen hatten sich nach dem gescheiterten Angriff auf Kiew neu formiert – und versuchen nun, im Osten und Südosten der Ukraine Territorium zu gewinnen.

Moskau versucht dabei, die schon mit Krim-Annexion und Ostukraine-Krieg von 2015 besetzten Gebiete durch Neueroberungen auszuweiten. Zuletzt war die Hafenstadt Mariupol nach wochenlangem Widerstand de facto gefallen. Die letzten Kämpfer, die im Stahlwerk der Fabrik ausgehalten hatten, stellten ihren Widerstand ein.

2439 Asow-Kämpfer in Kriegsgefangenschaft – Russland erwägt Gefangenenaustausch

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Einem prorussischen Funktionär zufolge sind inzwischen 2439 Kämpfer aus dem Azovstal-Werk in der Ukraine in Gewahrsam. Darunter seien 78 Frauen, sagte der Chef einer von Separatisten kontrollierten Region in der Ostukraine, Denis Puschilin, im russischen Staatsfernsehen. Auch ausländische Staatsbürger befänden sich unter den Gefangenen.

Sie würden vor ein Tribunal gestellt. Russland stellt die ukrainischen Kämpfer aus dem Stahlwerk als „Neonazis“ und Verbrecher dar. Nach ukrainischen Behördenangaben stammen sie aus Militär- und Polizeieinheiten. In der Ukraine gelten sie als Helden. Familienangehörige haben darum gebeten, dass ihnen als Kriegsgefangene Rechte gegeben werden und sie in die Ukraine zurückkehren.

Am kommenden Donnerstag soll das oberste russische Gericht einen Antrag auf Einstufung des Regiments als „terroristische Organisation“ prüfen, was einen Austausch dieser Gefangenen erschweren könnte. Azovstal galt wochenlang als Symbol des ukrainischen Widerstands gegen Russland. Die ukrainische Regierung hat sich noch nicht zu der Behauptung Russlands geäußert, dass es die Stahlfabrik eingenommen habe. Das ukrainische Militär hatte den Kämpfern mitgeteilt, dass sie die Fabrik verlassen könnten. Nach ukrainischer Lesart bedeutete das nicht, dass sich die Kämpfer ergaben.

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Derweil wurde bekannt, dass Russland den Austausch von gefangengenommenen Kämpfern des Asow-Regiments gegen den prorussischen Geschäftsmann Viktor Medwedtschuk erwägt. „Wir werden die Frage prüfen“, sagte der russische Abgeordnete und Unterhändler bei den Verhandlungen mit Kiew, Leonid Slutski, am Samstag laut RIA Nowosti. Medwedtschuk gilt als Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Der ukrainische Politiker und Unternehmer, der zu den vermögendsten Menschen des Landes gehört, war im vergangenen Jahr in der Ukraine wegen Hochverrats angeklagt und unter Hausarrest gestellt worden. Kurz nach Beginn des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine am 24. Februar tauchte er aber unter, eher er Mitte April festgenommen wurde.

Oksana Martschenko (r), die Ehefrau von Viktor Medwedtschuk bei einer Pressekonferenz. Im Hintergrund Fotos, die von der Ukraine nach der Gegangennahme Medwedtschuks gemacht wurden
Oksana Martschenko (r), die Ehefrau von Viktor Medwedtschuk bei einer Pressekonferenz. Im Hintergrund Fotos, die von der Ukraine nach der Gegangennahme Medwedtschuks gemacht wurden
Quelle: pa/dpa/TASS/Mikhail Japaridze

Der Bürgermeister von Mariupol warnte vor einer medizinischen Katastroph:. „Zusätzlich zu der humanitären Katastrophe, die von den (russischen) Besatzern und Kollaborateuren ausgelöst wurde, befindet sich die Stadt kurz vor einem Ausbruch von Infektionskrankheiten“, teilte Bürgermeister Wadim Bojtschenko am Samstag in der Nachrichten-App Telegram mit. Er verwies darauf, dass es Massengräber in Gruben in der Stadt gebe. Zudem versagten Abwassersysteme. Regenfälle könnten Wasserquellen verunreinigen, sagte Bojtschenko. Er rief die russischen Soldaten auf, Einheimische aus der Stadt zu lassen.

Betreiber will Betrieb im Stahlwerk wieder herstellen

Der Geschäftsführer des Besitzers der Stahlfabrik Azovstal in Mariupol, Jurij Ryschenkow, hatte in einem Samstag veröffentlichten Interview die Zerstörung in Mariupol beschrieben. „Die Russen versuchen sie aufzuräumen, um ihre Verbrechen zu vertuschen“, sagte Ryschenkow vom Unternehmen Metinvest in einem Interview der Zeitung „Corriere della Sera“.

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Es werde versucht, den Betrieb in der Stadt wiederherzustellen. Metinvest besitzt neben Azovstal noch die Stahlfabrik Ilyich in Mariupol. Dort sei die Infrastruktur zum Teil noch intakt, sagte Ryschenkow in dem Interview. Sollte Russland versuchen, den Betrieb dort aufzunehmen, würden sich Ukrainer weigern, dort wieder zu arbeiten, sagte er. „Wir werden niemals unter russischer Besatzung arbeiten.“

Ein Berater des Bürgermeisters von Mariupol, Pedro Andrjuschtschenko, warf den russischen Soldaten vor, sämtliche Routen aus der Stadt zu blockieren. „Ab heute wird jede Evakuierung aus der Stadt unmöglich, bis separate Korridore geöffnet werden“, schrieb Andrjuschtschenko am Samstag bei Telegram. Er rief vertriebene Einheimische auf, nicht zurückzukehren, um Eigentum zu holen.

Selenskyj erwartet Kriegsende nur durch Diplomatie

Der Krieg kann nach Ansicht des ukrainischen Staatschefs Wolodymyr Selenskyj letztlich nur durch Diplomatie beendet werden. Der Krieg werde „blutig sein, es wird heftige Kämpfe geben, aber endgültig enden wird er nur durch Diplomatie“, sagte Selenskyj am Samstag dem ukrainischen Fernsehsender ICTV. Zugleich forderte er vom Westen weitere Waffenlieferungen. Nach der kompletten Einnahme der Hafenstadt Mariupol erhöhte Russlands Armee den Druck in der Ostukraine weiter.

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Quelle: Infografik WELT/Anna Wagner

„Es gibt Dinge, die wir nur am Verhandlungstisch erreichen können“, sagte Selenskyi in dem Interview. Er sprach sich für ein Dokument über Sicherheitsgarantien für die Ukraine aus, das „von den Freunden und Partnern der Ukraine, ohne Russland“ unterzeichnet werde. Parallel dazu solle es bilaterale Verhandlungen mit Russland geben. Ukrainische und russische Unterhändler hatten sich seit dem Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine Ende Februar zunächst regelmäßig persönlich oder online über eine Beilegung des Konflikts beraten.

„Der Krieg wird blutig sein, aber endgültig enden wird er nur durch Diplomatie“

Der Krieg in der Ukraine kann nach Ansicht von Präsident Wolodymyr Selenskyj letztlich nur durch Diplomatie beendet werden. „Es gibt Dinge, die wir nur am Verhandlungstisch erreichen können.“ Er schwor indes die Ukrainer auf einen langen Kampf ein.

Quelle: WELT / Thomas Vedder

Die letzte Begegnung der Chefunterhändler beider Länder fand laut russischen Nachrichtenagenturen vor einem Monat statt. Unterdessen bekräftigte der ukrainische Unterhändler Mychailo Podoljak, es werde keinen Waffenstillstand um den Preis territorialer Abtretungen geben. „Die (russischen) Streitkräfte müssen das Land verlassen, und danach wird die Wiederaufnahme des Friedensprozesses möglich sein“, sagte er Reuters. Ein Waffenstillstand werde nur dazu führen, dass Russland sich neu formieren werde, um dann umso heftiger anzugreifen.

AFP/dpa/Reuters/AP/kg/kami

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